Puh, ein heißes Pflaster, aber ich finde es wichtig, zu dem Thema Stellung zu beziehen.
Wie steht ihr zum Thema Alltagsrassismus? Gibt es den? Wenn ja, wie ausgeprägt? Was schätzt ihr denn, wie viele Leute in eurer Region eine Tendenz zum Rassismus haben?
Natürlich gibt es Alltagsrassismus. Das fängt dabei an, dass Dunkelhäutigen von wildfremden Menschen einfach in die Haare gefasst wird (weil es ja so schön wollig aussieht) und geht hin bis zu Affengeräuschen, die erschreckend viele Schwarze zu hören bekommen. Wer's nicht glaubt, der lese sich mal bei #metwo ein. Das reicht schon, um den Alltagsrassismus in Deutschland zu belegen. Von Leuten, die aufgrund ihres Aussehens oder Namens keine Wohnung, oder Job finden, will ich gar nicht anfangen.
Aktuelles Beispiel, das ich im Schwimmbad erlebt habe: Zwei ältere Herren unterhalten sich auf der Toilette, ich bekomme folgende Worte mit: "Das sag ich schon lange. Die ganzen Kanacken sollte man zurückschicken." Mein Schwager (französische Mutter, deutscher Vater) sieht sehr arabisch aus (meine Frau hat einen sehr multikulturellen Familienhintergrund). Er bekommt entsprechende Anfeindungen auch oft genug zu spüren...
Wie viele Menschen in meiner Region rassistische Tendenzen haben, kann ich nicht sagen. Ich tendiere dazu, das Gute im Menschen zu sehen und erst einmal allen eine (sexismus- und) rassismusfreie Gesinnung zu unterstellen. Dann muss man bedenken, dass gerade ältere Leute zu einer Zeit aufgewachsen sind, als z.B. "Neger" noch eine ganz normale Bezeichnung für einen dunkelhäutigen Menschen war. Wenn die das heute verwenden, kann man ihnen nicht böse sein. Höchstens eine gewisse Lernresistenz unterstellen. Rassistisch gemeint ist das aber, meiner Erfahrung nach, in den wenigsten Fällen.
Inwiefern war "früher alles besser"?
Als weißer, heterosexueller (und berufstätiger) Mann war früher im "Westen" sicherlich vieles besser...
Ist die Situation, wie sie momentan ist, vielleicht gar nicht so schlimm, wie das Drama vermutet? Oder wird erst jetzt klar, was für Missstände es gibt?
Schwer zu sagen. Ich sehe das wie Tony, dass gewisse Meinungen eben öffentlicher (salonfähiger?) werden und das nun deshalb so arg im Fokus liegt. Außerdem tut das Internet sein Übriges hinzu, da jeder (anonym) seine Meinung schreiben kann, aber eben auch Missstände aufgedeckt werden können (erneut #metwo). Ich denke also schon, dass wir gerade eine Phase erleben, in der diese Missstände zutage treten, aber dass an der Situation selbst (= existenter Alltagsrassismus) nicht unbedingt etwas Neues ist.