Gut, wir sind uns aber trotzdem alle einig, dass das Tootenham-Spiel und vor allem sein Ergebnis nur schwer vergleichbar sind mit dem Spiel gestern. Der Artikel beschreibt ja schon ganz schön, wie das Spiel hätte ausgehen können und wie es nach den "Regeln einer normalen Welt" hätte ausgehen sollen. Und das ist auch vollkommen fein so.
Der bedeutende Unterschied zum Spiel gestern aber war: Dortmund wäre in vielen, vielen anderen Welten nicht einmal nahe herangekommen. Und das gab es in dieser Saison (zumindest in den Pflichtspielen) kaum und wenn, dann nur, wenn der Gegner wirklich schwach unterwegs war (unter anderem gegen Mainz, die ebenso acht von Leipzig und drei von Union eingeschenkt bekommen haben). Ansonsten haben die Bayern gegen jeden Gegner hanebüchen Chancen zugelassen und generell Fußball gespielt. Das muss man jetzt nicht mal mit dem Hurra-Fußball von 2013 vergleichen oder dem fast schon euphorisch-stoischem Fußball unter Pep, da reicht auch der Blick auf nicht so starke Phasen unter Kovac. Denn selbst in der Hinrunde der letzten Saison hat man, zumindest von der Anlage, schon besseren Fußball gespielt. Die letzten Wochen müssen einfach nur jedem die Augen geöffnet haben, was da spieltechnisch für ein Abstieg stattgefunden hat. Der ist so, das glaube ich zumindest, auch nicht mit dem Abstieg der individuellen Klasse der Spieler logisch zusammenzuführen.
Flick hat in der letzten Woche bestimmt nicht alles auf links gedreht, Spielkultur vermittelt oder den Fußball neu erfunden. Auffällig ist allerdings, dass die Werte, die Niko Kovac so herausgehoben hat und die er nie müde wurde zu pushen, erst mit seinem Ausscheiden den Weg ins Bayernspiel gefunden haben. Gestern hat man nämlich "gekämpft" und "gewollt". Gestern hat man tatsächlich ein Gegenpressing gespielt, dass eine gewisse Einsatzbereitschaft voraussetzt und den Gegner vor Schwierigkeiten stellt. Gestern ist der eine für den anderen gelaufen und hat der eine auch für den anderen nachgedacht. Mannschaftsumfänglich. In der ersten Hälfte hatte man das Gefühl, dass Flick Davies während des Spiels Privatstunden in der Spielbewegung gibt. Das, in seiner Gänze, waren Werte, die Kovac gepredigt hat, sie aber nur selten auf den Platz gebracht hat.
Jetzt kann man natürlich philosophieren woran das lag und ob die Mannschaft gegen Kovac gespielt hat. Hatte Kovac kein Standing in der Mannschaft, weil er nicht erfolgreich genug war? Hat er die falschen taktischen Kniffe gewählt und andere ausgelassen? Gab es eine Grüppchenbildung der wichtigen Mannschaftsstützen gegen den Trainer? Hatte er einfach nur Pech (in manchen Spielen, wenn man sich an xG hält, sicherlich)? Ist Hansi Flick der taktische Godfather himself? Wahrscheinlich nicht und wahrscheinlich ein bisschen von allem.
Ich glaube die Mannschaft hat gegen Piräus von den absoluten Fußball-Basics profitiert und gegen Dortmund von ihrer gekränkten Ehre, bedingt durch die letzten Wochen. Das heißt nicht, dass ich glaube, dass Flick gar nichts mit diesen Siegen zu tun hatte. Ich bin mir sicher, dass er an der einen oder anderen taktischen Stellschraube gedreht hat, aber viel über Einzelgespräche und Motivation ging. Ja, intrinsische Motivation schön und gut, damit habe ich mich in den letzten Monaten vor allem auch beurflich viel beschäftigt und eigentlich ist es sogar so, dass Menschen gar nicht von anderen motiviert werden können, sondern alles aus der Person selbst kommt. Dem stimme ich zu großen Teilen auch zu, allerdings erst ab einem Null-Niveau. Und die Bayern waren vor der Entlassung meiner Meinung nach deutlich drunter. Ich glaube das darf und muss man Flick anrechnen – er hat es geschafft, dass die Mannschaft auch wieder für sich kämpft und nicht für den Trainer. Denn, wenn der Kovac heißt und in vielen PKs die Schuld (teilweise auch zurecht) an die Mannschaft gibt, kannst du nicht mehr mit vollem Einsatz für ihn kämpfen.
Um nun aber wieder zum eigentlichen Thema "Trainer" zu kommen: Flick hat die ersten beiden Spiele unter seiner Leitung meiner Meinung nach hervorragend gelöst. Der wirklich schwierige Part kommt aber jetzt in der Länderspielpause. und den kommenden Wochen bis zum Rückrundenauftakt. Er muss den Karren nämlich nicht nur ins Zielfahren wie beispielweise damals Andries Jonker, sondern er muss sich jetzt einmal unter den Karren legen und dafür sorgen, dass der in annähernd Höchstgeschwindigkeit ab Februar da ist. Denn die Zielsetzung der Bayern hat sich durch diese Entlassung meiner Meinung nach nicht geändert und es ist genug Zeit sich mit der Mannschaft auseinanderzusetzen, um in allen Wettbewerben anzugreifen. Flick hat eine tolle Basis mit den zwei Siegen geschaffen, muss die jetzt aber ausbauen. Und sollten die Bayern nicht völlig überraschend zur Winterpause eine Ideallösung für den Trainerposten finden, wird er ab der Rückrunde sicherlich auch wie ein "richtiger Trainer" und keine Interimslösung bewertet werden. Zumindest von mir. Von den (sozialen Medien) sicher auch schon vorher.
edit: Ups, dachte wir wären hier im Trainer-Rumours-Thread, aber dann macht der kurze wirklich trainer-seitige Exkurs ja nichts