Letzte Änderung: Heute um 00:00:00 von smonan1900
Wow, Glückwunsch

Den Jahresbericht kenne ich auch und mittlerweile wurde er von verschiedenen Kriminologen auch wissenschaftlich untersucht. Die Kategorisierung der Fans ist und bleibt weiterhin sehr schwammig und ist als Kenngröße für irgendwelche Schlussfolgerung kaum zu gebrauchen. Entscheidend ist und bleibt die Statistik über Strafverfahren, deren Ergebnisse und die jeweilige Schwere der Rechtsverstöße, um von einem "Anstieg der Gewalt" auszugehen.
Nehmen wir mal Rainer Wendt. Dieser behauptet, die Gewalt gegen Polizeibeamte nehme immer weiter zu. Zum Glück führt die ZIS ja eine Statistik über Widerstandsdelikte (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte). In der von gizmo verlinkten Quelle (
http://www.polizei-nrw.de/media/Dokumente/11-12_Jahresbericht.pdf) ist das Seite 29.
Vor 3 Jahren lag die Zahl bei 324, im darauffolgenden Jahr ist sie auf 306 gesunken und im letzten Jahr betrugt sie 371. 371, das ist bei 8143 eingeleiteten Strafverfahren eine äußerst geringe Zahl (deutlich unter 5%, wenn ich mich nicht verrechnet habe). Einen signifikanten Anstieg kann ich über die 3 Jahre auch nicht erkennen. Von 2009 auf 2010 ist die Zahl von Widerstandsdelikten sogar gesunken. Die Gewalt bei Fußballspielen generell ist gestiegen, es gibt einen Anstieg bei KV Delikten, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch...da gab es überall keine extremen Sprünge, die gab es aber bei den eingeleiteten Verfahren gegen das Sprengstoffgesetz. Dazu äußert sich der Bericht natürlich auch, weil es eine statistisch ungewöhnliche Größensteigerung ist. Der Grund für den Anstieg liegt an der Absage der Verhandlungen über die Legalisierung durch den DFB und der Anweisung des Sicherheitskoordinators, im Zuge der Verhandlungsabsage eine Null-Toleranz-Strategie gegen Sprengstoffgesetzverstöße zu fahren, um die Entschlossenheit der entgültigen Absage der Gespräche zu unterstreichen. Deshalb, so steht es im Bericht, wurden diese Delikte noch intensiver verfolgt.
So, nun haben wir also einen leichten Anstieg von Gewalt, einen sehr geringen Anstieg von Widerstandsdelikten und einen großen Anstieg von eingeleiteten Strafverfahren insgesamt, vor allem aufgrund der signifikanten Erhöhung von Sprengstoffdelikten. Und daraus bastelt mein Freund Rainer Wendt nun "eine eindeutige Tendenz zu mehr Gewalt gegen Polizeibeamte". Das ist, mit Verlaub, demagogisch und lächerlich. Gewalt gegen Polizeibeamte wird in Widerstandsdelikten festgehalten, diese haben sich leicht erhöht, sind allerdings immernoch äußerst seltene Delikte.
Zum Vergleich: Die ZIS sammelt lustigerweise auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bei Sporteinsätzen. Das sind höchst selten Gewaltdelikte und so richtig erschließt es sich mir nicht, diese ebenfalls aufzulisten. Aber egal, in der Saison 2010/2011 gab es 397 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, selbst diese Zahl ist also höher als die Delikte gegen Beamte.
Es mag sein, dass die "Qualität" der Gewalt gegen Beamte zugenommen hat. Dafür hätte ich dann aber gerne verlässliche Quellen. Fakt ist, dass "Fans" weiterhin sehr viel lieber untereinander prügeln (1831 KV-Delikte), als sich den Ersatzgegner Polizei (371 Delikte) zu suchen. Wendt könnte mit seiner Argumentationsgrundlage genausogut den erheblichen Anstieg von Drogenmissbrauch bei Fußballspielen ankreiden und genau deshalb bewerte ich die Aussagen des Herrn Wendt als manipulierte und manipulierende Propaganda. Der Anstieg von Widerstandsdelikten ist immernoch im Rahmen völlig normaler Schwankungen.
Dass es zu solchen Szenarien wie in Magdeburg (?) kommt, ist natürlich trotzdem höchst bedauerlich. Das Hinterhaltsszenario erschließt sich mir nicht so ganz, muss ich sagen, aber ich war nicht dabei und möchte mich auch nicht an Spekulationen darüber beteiligen, ob taktische Fehler begangen wurden oder nicht. Spielt in dem Fall eigentlich auch keine Rolle, 16 Verletzte Beamte sind 16 Verletzte Beamte zuviel. Dass es Gewalt gegen Polizisten gibt ist höchst bedauerlich, aber dass dieses Phänomen einen erheblichen Anstieg erfahren hätte, statistisch schlicht nicht zu beweisen.
EDIT:
Achso, habe etwas überlesen:
Das Polizeirecht ist ein Maßgeblicher Teil der Ausbildung. Die mir bekannten Plizisten (immerhin 5 Leute) können die für sie wichtigen Paragraphen alle runterbeten. Sind aber alles Leute, die in RLP ausgebildet wurden.
Ja, die Normen kennen einige Polizisten ganz gut, nur deren Auslegung ist doch für jemanden, der sich mit Recht ganz gut auskennt, oftmals abenteuerlich. Da geht es um die Auslegung von Begriffen, die die Angemessenheit von Maßnahmen deklarieren und die werden nunmal sehr oft von Polizisten so ausgelegt, wie es ihnen gerade passt, um eine Maßnahme durchzusetzen. Das ist nicht selten nicht im Einklang mit der Rechtssprechung. Das mag zum Teil an mangelnder Ausbildung liegen, aber zu einem großen Teil spielt da auch eine gewisse Selbstherrlichkeit mit rein, die ich einigen Beamten erfahrungsgemäß unterstelle. Wer sich selbst davon überzeugen möchte, dem empfehle ich das Forum copzone.de mal durchzuschauen.
Dort finden sich so exquisite Aussagen wie:
"Will jemand meine Dienstnummer ("Da hab ich das recht die zu wissen!") biete ich wahlweise meine PK aus der Bw-Zeit, meine SAP-Nummer oder die Durchwahl"
(
http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?f=66&t=65666&start=15)
oder
"In Berlin bist du verpflichtet, eine Dienstkarte rauszugeben, auf der Rückseite kann man dann noch eine kleine Notiz zum Sachverhalt notieren.. Auf dieser Karte steht dann nur die Dienstnummer, den Namen musst du nicht nennen..
Und wenn da irgendein Unbeteiligter oder irgendeine Schnapsleiche unbedingt so eine Karte haben will.. Gib ihm eine, soll er sich zuhause einrahmen
"
(
http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?f=66&t=65666)
oder
Soll der Typ doch diskutieren, ich weiß was sich muss und was nicht. Und wenn der Hobbyjurist oder Wutbürger meint, dass ich ihm die Daten nennen muss, dann soll er soviel meckern wie er will, mir egal. Nur weil er meckert bekommt er meine Daten nicht. Wo kommen wir denn dahin, dass mir der Bürger sagt, was ich zu tun habe.
(
http://www.copzone.de/phpbbforum/viewtopic.php?f=66&t=65666).
Die Aussagen stammen übrigens von 3 unterschiedlichen offensichtlichen Polizeibeamten, und stammen aus einem einzigen Thread. Gerade der letzte Kandidat "Wo kommen wir denn dahin, dass mir der Bürger sagt, was ich zu tun habe" zeugt davon, wessen Geistes Kind einige dieser Menschen sind. Dass Polizei vor allem als Bindeglied zwischen Staat und Bürger dienen soll und gewissermaßen auch eine Art (Service-)Dienstleistung für das Volk ist, kommt in den Köpfen einiger Beamten leider einfach nicht an. An Selbstgerechtigkeit ist das schwerlich zu überbieten und das schlägt sich meinen Erfahrungen nach auch immer wieder in den täglichen Einsätzen nieder.