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1. SpieltagFC Remscheid – FC. St.Pauli„Jungs. Willkommen inne Zweite Liga!“ töne ich laut.
Es gibt Applaus in der Kabine. Das ganze Team ist versammelt.
„So, bis hierhin war dat ja schomma ganz geil! Aber getz, Freunde, getz gehtet ers richtich los! Uns besuchen son paar Luden aus Hamburchs Ludenviertel. Die machen wa platt!“
Laute Zustimmung. Lothar Rausch quietscht. Scheinbar verzögert sich der Stimmbruch noch immer.
„Aber wir wärn ja nich wir, wenn wa nich n’paa coole Aksessoaas vorbereitet hätten. Also…“
In diesem Moment ein lauter Knall. Es wird kurz hell, dann aber gleich wieder dunkel.
Ich drehe mich um und entdecke den Grund für die Lichtshow: Herzog. Er hat die Tür aufgestoßen und sich dann darin platziert.
„Verzeihung, Way, ich möchte nicht stören!“
„Warum tun sies dann, Mann?“, grummle ich. Herzog überhört das. Ausladend schreitet er in die Kabine und verringert die frei verfügbare Fläche um die Hälfte.
„Jungs! Heute ist Zweite Liga! Unser Verein hat es bis in die zweithöchste Klasse geschafft. Das habt Ihr ganz toll gemacht, wirklich: ganz toll.“
Hier pausiert Herzog und blickt in die erstaunten Gesichter. Pascal Stein scheint die Pause unangenehm zu sein, denn er klatscht dreimal fragend in die Hände. Dang Khoa neben ihm macht nach.
„Nun, ähm“, fährt Herzog fort, „gut. Es geht also los. Ich bin eigentlich auch nur hier, um Euch eine erfolgreiche Saison zu wünschen.“ Er blickt etwas irritiert, scheinbar weiß er nicht mehr weiter.
Amateur.
„Ja, richtig!“ Die Worte kamen wohl zurück.
„Herr Way, seien sie doch bitte so freundlich und verzichten sie auf Diffamierungen oder sonst welche Psychospiele. Wir müssen auch an unser Image denken und den damit verbundenen Merchandisingeinnahmen.“
Ich schaue regungslos in sein Gesicht.
„Ja, also…“ Er blickt sich suchend um. „gut. Ich gehe dann jetzt.“
Er verlässt den Raum. In der Tür aber bleibt er nochmal stehen und blickt über die Schulter.
Kein Applaus.
Seufzend macht er hinter sich zu.
Ich wende mich sofort dem Team zu.
„Fein, also weiter. Dat hier sind’n paar Aksessoaas, wie gesacht. Tragt dat einfach. Un jetz raus mit Euch, macht die Luden platt!!
So geht das Team voran. Opdam und ich gehen langsam hinterher. Kurz vor Ende des Spielertunnels bemerke ich ein eigenartiges Rauschen im Ohr. Es wird immer lauter. Ich bohre mit dem Finger im Gehörgang herum, aber außer dem üblichen Schmodder kommt nichts dabei heraus. Dann wird es plötzlich hell – das sprichwörtliche Tunnelende – und ich pralle zurück. Ruckartig greife ich nach Opdams Arm, der daber herumwirbelt und mich erschrocken anblickt.
„Herr Way. Was ist los? Ist ihnen nicht gut?“ Seine Stimme drückt plötzliche Besorgnis aus.“
„Barry…“, stammle ich. Mein zitternder Arm zeigt nach vorn. „Barry! Daaaa!“
Opdam folgt meinem Blick. Aber er scheint nicht gleich zu erkennen, was mich so bestürzt.
„Herr Way, ich sehe-“
„Da!“ insistiere ich. „So sieh doch, Barry!“
Ich greife jetzt auch mit der zweiten Hand nach seinem Arm.
„Herr Way, was denn?“
„Menschen, Barry! Menschen! So viele! So viele Menschen!“ Meine Stimme wird immer schriller.
Opdam entspannt sich allerdings und legt behutsam die Arme um meine Schultern.
„Herr Way, na, na!“ Sanft tätschelt er mir den Kopf. Mit beruhigender Stimme fährt er fort: „Das sind Zuschauer, mein Guter. Viele davon. Es ist ausverkauft.“
Zitternd betrete ich das Spielfeld. Jubel bricht aus. Gerade noch schiebt Opdam mich aus seiner Umarmung. Ich stolpere vor und stehe plötzlich mitten im Rund.
Ausverkauft.
Das gab’s ja noch nie.
Das Spiel selbst ist natürlich geprägt von unserem guten Stil. Dafür sorgen schon die bereits erwähnten Accessoires. Bei der Mannschaftspräsentation kann ich Herzog auf der Tribüne stöhnen hören. Aber sind wir doch mal ehrlich: wie sonst soll man gegen ein Team aus Deutschlands Rotlichtbezirk Nummer Eins auflaufen, wenn nicht so?
Wie nicht anders zu erwarten: wir sind feldüberlegen. Pauli macht zwar einige Anstalten, selbst zum Torerfolg zu kommen, jedoch können wir das immer wieder abwürgen. Fast nur Weitschüsse fliegen Richtung Tribüne. In Minute 77 gelingt uns dann endlich der erste Zweitligatreffer seit Jahrzehnten. Lothar Rausch markiert ihn. In der 90. Minute macht Leandro den Sieg perfekt. Opdam und ich liegen uns in den Armen und tanzen im Kreis, das Volk jubelt, Herzog ist nicht mehr zu sehen in der Menge – was könnte also perfekter sein? Irgendjemand im Publikum hat sogar extrem laute Sirenen mitgebracht, um das gebührend zu feiern!
Erst mit den vergehenden Sekunden fällt mir auf, dass das Geheule dieser Sirenen immer lauter wird. Und immer dissonanter. Opdam und ich halten im Tanz inne und blicken in Richtung des Lärms: das große Tor zur Wupperstrasse, direkt zwischen Gegentribüne und Kurve. Ziemlich entgeistert sehen wir mit an, wie es von ebenfalls entgeisterten Ordnern geöffnet wird. Der dahinter liegende Parkplatz Mühlengasse wird sichtbar mit seinen Backsteinbegrenzungen.
Dann wird es rot.
Signalrot.
Und blitzend blau.
Ein Löschzug der Feuerwehr biegt ohrenbetäubend ein, fährt über die Laufbahn, überrollt die Balustrade und die daran angebrachten Pressekameras und kommt im Strafraum von St. Pauli zum Stillstand.
Der Effekt ist atemberaubend. Die Hamburger Spieler haben sich im Mittelkreis versammelt und amüsieren sich (das ist dann wohl der Grund, warum man Pauli „Kult“ nennt: selbst in der Niederlage bringt sie eine gute Show wieder auf die Sonnenseite des Lebens).
Der Einsatzleiter hüpft aus dem ersten Fahrzeug und schaut sich um. Weitere Brandbekämpfer entsteigen ihren Fahrzeugen.
Das Remscheider Publikum lässt sich natürlich nicht lumpen und jubelt wie nach dem Champions League-Sieg.
Ich gehe auf den leitenden Feuerwehrmann zu, der sich suchend umblickt.
„Ey, Mann! Wat is??“ töne ich über den Gesang der Fans.
„Herr Way, guten Tag!“ Höflich reicht mir der Brandmeister die behandschuhte Hand.
Ich erwidere den Gruß knapp.
„Wir haben einen Anruf erhalten. Auf einer der Tribünen soll ein Feuer ausgebrochen sein.“ Wieder blickt sich der Mann suchend um. Seine Kollegen beginnen scheinbar vorsorglich mit dem Entrollen von Schläuchen. Auch die Drehleiter wird in Position gebracht.
„N’Feuer?“ rufe ich schrill. „Hömma, ich…“
Da kommt Schiedsrichter Günther Perl hinzu.
„Meine Herren. Was soll dieser Aufruhr? Ist das Spiel ordnungsgemäß zu Ende zu bringen?“
Ich ignoriere ihn, in Sorge um unser Stadion. Ich suche nach Bränden in den unteren Bereichen der Tribünen, finde aber keine.
„Wer hat sie denn alarmiert?“ fragt Opdam, der neben mir steht.
„Ein älterer Herr, er…“
„Kann es weiter gehen?“, fragt Perl streng regelkonform dazwischen.
„… meint, es würden dicke Rauchwolken gebildet und vermutet einen großen Schwelbrand.“, beendet der Brandmeister seinen Satz. Wieder blicke ich mich um.
„Welcher Herr ist gemeint?“, fragt Opdam.
„Kann es weiter gehen?“, fragt Perl.
„Ich sehe keinen Rauch im unteren Tribünenbereich.“, sage ich.
„Kann man den Herrn ausrufen lassen?“, fragt Opdam.
„Ich muss das im Bericht erwähnen!“, sagt Perl.
„Vielleicht sollten wir Teams in die Katakomben schicken?“, denkt der Feuerwehrmann laut nach.
„Ich werde den Mann ausfindig machen.“, sagt Opdam.
„Ich muss sie warnen, Herr Way – das wird Konsequenzen…“
„HALT DEINE BEKACKTE FRESSE!!“ brülle ich ihm entgegen.
Perl schreckt zurück. Er sucht konsterniert nach seiner Pfeife, aber Opdam legt ihm sanft einen Arm auf die Schulter: „Er meint das nicht so. Er hat gestern den Film „The Big Lebowski“ gesehen und der hat wie von uns schon befürchtet einen schlechten Einfluss auf ihn gehabt.“
Der ganze Tumult geht noch einige Minuten so weiter, als plötzlich ein älterer Mann im Lodenmantel und Schal dazu kommt. Er weist sich aus und behauptet, er habe ‚wegen plötzlicher Brandentwicklung im oberen Tribünenbereich die Feuerwehr alarmiert, da er Gefahr für Leib und Leben witterte‘.
Alle unsere Blicke gehen nach oben und tatsächlich – ein solches Ereignis hat Remscheid noch nie gesehen!! Dass das Unruhe hervorruft, war zu erwarten.
1:0 Rausch (77.)
2:0 Leandro (90.)