Also ich habe heute Vormittag in meinem ersten Post nach dem WM-Finale zuerst einmal gratuliert. Zwar auf meine Art, aber es ist das erste, was man tut. Das gebietet auch der Respekt und den hat das Team mit dem Bundestrainer auch weiterhin. Den hätten sie auch, wenn man gestern mit drei geschenkten Elfmetern den Titel errungen hätte.
Trotz aller Anwiderung zu erst einmal: Herzlichen Glückwunsch an die deutsche Nationalmannschaft und vor allem Jogi Löw zum WM-Titel. Es war eine sehr starke Leistung vom Anfang bis zum Ende, an dem die Krönung stand. Dass ausgerechnet der so oft gescholtene Götze die Bude macht, passt dazu.
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Und trotzdem werde ich ihm kein Denkmal bauen. Das muss ich auch nicht. Jedoch würde ich auch nicht gegen das Denkmal pinkeln.
Allen Argumenten kann man nämlich mit Mertes Gegenfrage kontern: "Wat wollnse, wollnse eine erfolgreiche WM, oder sollen wir wieder ausscheiden und haben schön gespielt?!" Oder ist es gar nicht das Spiel, sondern die Ergebnisse passen nicht? Will man ein 6:0 gegen POR oder steckt dieses Gegegentor gegen BRA doch so tief?
Dazu kann ich nur sagen, dass ich eben nicht wollte, dass die Nationalmannschaft eine erfolgreiche WM spielt. Somit zieht diese Argumentation bei mir nicht. Ich kann die meisten Spieler nun mal nicht ab, auch sind mir Löw und viele andere Verantwortliche nicht genehm. Das ändert sich auch nicht, wenn sie jetzt (beispielsweise!) das Bayern-Trikot gegen das der Nationalmannschaft tauschen.
Dass man jetzt Kritik äußert, ist vielen Leuten nicht passend. Man solle den anderen doch ihren Spaß haben. Und dabei am besten mitfeiern, auch wenn es einem zuwiderläuft. Oder einfach stillschweigend die Tatsachen hinnehmen. So selbstlos, dass ich meine eigenen Belange den der anderen hier unterordne, bin ich nicht. Ich kann es auch umdrehen und sagen, es sei egoistisch von den nun feiernden Fans, mir die Kritik zu verbieten oder mich dafür zu diskreditieren. Am besten lässt man alles zu und sucht sich das passende Thema aus.
Ich kritisiere so nebenbei auch nicht jeden, der sich freut. Das ist legitim und auch toll. Man soll auch feiern dürfen, aber dabei nicht jede Grenze überschreiten. Nennt mich einen Spießer, aber nur weil man die WM gewonnen hat, einen Klingelsturm im gesamten Block bei uns in der Nacht um 1.30 Uhr zu machen, ist etwas übertrieben. Mir war es relativ egal, da ich direkt wieder einschlief. Aber es gibt genug Kinder/Berufstätige/ältere Menschen, die dadurch die kurze Nacht noch ein wenig gekürzt bekommen. Die meisten Fans sind sicher in Ordnung, aber diese paar Verrückten verhageln eben den Gesamteindruck. Wenn man feiert, ist es gut. Aber wenn andere Menschen nicht feiern wollen (und erst Recht nicht mitten in der Nacht), dann muss man das akzeptieren. Wieso die Polizei gar Lärm- und Jugendschutzgesetze für ein WM-Finale außer Kraft setzt bzw. bewusst missachtet, verstehe ich auch nicht. Gestern war ein großes Finale, aber kein Weltkriegsbeginn bzw. -ende, sondern auch "nur" ein WM-Finale im Sport. Wenn die Fans das zelebrieren, von mir aus. Aber die Polizei hat klare Aufgaben.
Heute auf Arbeit gab es Eis vom Vorstand für jeden, da "wir" Weltmeister seien. Ich weiß ja nicht, wer vom Vorstand gestern auf dem Platz stand, aber das "wir" passt mir lieber zu Vereinen denn Nationalmannschaften. Aber das ist nur meine Meinung, diskutiert bitte lieber über andere Themen. Dazu habe ich geäußert, dass ich nun nicht extrem begeistert vom Sieg sei. Ich erntete böse Blicke und musste mich fragen lassen, wo denn mein Nationalstolz hin sei. Da ich mit den Leuten noch arbeiten will (und eine vernünftige Bewertung am baldigen Praktikumsende brauche

), habe ich dann lieber laviert und das Thema gekonnt gewechselt. Eine Diskussion erschien mir unsinnig, da Kritik nicht erwünscht war. Schade eigentlich, aber ich kann es akzeptieren. Relativ passend trifft es folgende Aussage:
Kommt darauf an, wie du wahrgenommen werden willst. Siehe oben, letzter Satz, letztes Wort.
Aha. Demnach sollte ich lieber meine Meinung danach richten, wie ich wahrgenommen werden will und nicht daran, ob ich sie mit meinen eigenen Wertvorstellungen vertreten kann? Sehr interessant.
Und warum steht man damit auf der "moralischen und menschlichen Loserseite"? In meinen Augen sind das eher der Schlag von Leuten, welche sich aufgrund eines Erfolgserlebnis, scheuklappenartig gegen kritische/entgegengesetzte Meinungen verschließen!
Denn wenn man doch etwas differenzierter schaut, werden dann wirre Vergleiche gezogen. Das folgende Zitat ist nur ein Beispiel. Denn es passt nicht so ganz. Entweder ich kenne das Brautpaar und freue mich für die Hochzeit. Oder ich kenne/mag sie nicht, dann bin ich bei der Hochzeit dabei.
Und Henning, du bist sicher vom WM-Sieg euphorisiert. Aber dass man nach einem Sieg nicht kritisch sein darf, stört mich ein wenig. Ihr könnt doch feiern und euch über uns amüsieren, die wir nicht so dermaßen begeistert sind. Aber man sollte doch jedem seine Einstellung lassen.
Dennoch hat er Recht und ein wunderschönes Beispiel gebracht. Im Endeffekt bist Du einer, der Samstags vor ner Kirche wartet und dem herauslaufenden Brautpaar (auf dessen weiblichen Part du seit Jahren stehst) erzählt, dass eine Ehe eh keinen Sinn macht, da es Fakt ist, dass so und so viel Prozent aller Ehen geschieden werden, der Bräutigam vor drei Jahren mal im Suff mit ner Kellnerin geflirtet hat und das Brautkleid heimlich von ner schwarz bezahlten polnischen Näherin gemacht wurde.
Da kommt vermutlich jeder Punkt mehr oder weniger berechtigt an, wenn der Trauzeuge dir die Fresse poliert und dich vom Gelände schmeißt ist das ein harter Schlag gegen die ohnehin so geschundene Meinungsfreiheit in diesem Lande - aber menschlich und moralisch stehst du trotzdem auf der Loserseite.
Außerdem, wenn mir der Trauzeuge dann die "Fresse poliert", zeigt das seinen geistigen Status. Ich habe dann die moralische Keule ausgepackt, er die physische Kraft zum Konter genutzt. "Gewalt erzeugt Gegengewalt", haben die Ärzte mal gesungen.

Weiter im Text:
Ich weiß nicht, wie es in Cottbus entstanden ist, aber für mich als Fan von Hansa Rostock, gab es schon zu Kinderzeiten keinen Grund, für Deutschland beim Fußball zu jubeln. Ich war dann für Schweden, da waren eben welche von "unseren" Jungs dabei. Und auch heute belustigt es mich eher, wie Leute vom größten Moment ihres passiv-fußballerischen Lebens sprechen, während sie vermutlich bei einem Sieg Argentiniens genauso kritisch gesprochen hätten.
Das kann vielleicht unterbewusst ein Grund sein, aber bewusst nicht. Man muss realistisch sein und als Cottbus-Fan keine deutschen Nationalspieler aus dem eigenen Team erwarten. Zu unseren Glanzzeiten spielten ja kaum einheimische Spieler im Team, danach ging es auch mit einem höheren Deutschanteil stetig bergab. Es hat bei mir schon oft erwähnte andere Gründe. Wenn es sein muss, erwähne ich die noch hundert Mal, damit es wieder Futter für die gibt, die mir mein permanentes Bashing als nervig vorwerfen. Eine Ignore-Liste spart Nerven.
Nichtsdestotrotz bin ich eigentlich bei Nationalmannschaften nur Sympatisant von Italien, da mir deren altes Catenacchio sehr imponiert hat. Ohne taktische Kenntnisse würde ich sagen: Wenig Aufwand, viel Ertrag. Und das auf höchstem Niveau. Das nenne ich effizient und genau das mag ich. Abgesehen von meiner Voreingenommenheit 2012 fand ich Chelseas CL-Sieg in München nicht zuletzt deshalb genial (auch wenn einiges an Glück dabei war).
Dann will ich zum Abschluss mal die
erste Umfrage (die derzeit laufende ist ja sehr beschränkt) zum Thema, wer Weltmeister werde, kurz ansprechen. Mit 17 Stimmen waren 14,5% der Meinung, dass Deutschland es packe. Ungefähr jeder siebte User, der seine Stimme abgab, darf sich also freuen, aus dem Bauch/Kopf/Suff heraus perfekt abgestimmt zu haben. Immerhin neun User tippten auf den Gegner Argentinien.
Auf die gesamten Halbfinalteilnehmer entfallen 52 Stimmen, das macht 44,5%. Ein gemischtes Ergebnis ist es also. Spanien und Belgien mit jeweils 15 Stimmen haben es nicht gepackt, auch Honduras mit seinen fünf Stimmen (

) bleibt nicht nachhaltig in Erinnerung.
Ich muss mich nochmal allgemein beim Forum bedanken. Normalerweise fällt mir Argumentieren schwer, da ich kaum Lust habe, mir intensiv aussagekräftige Dinge zu überlegen. Aber hier wird man immer wieder auf eigene Fehler bzw. Schwächen der Aussagen hingewiesen und muss sich (teils mit populistischen gegen oft noch populistischere Thesen) behaupten.