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Autor Thema: Allgemeine Nachrichten  (Gelesen 1781036 mal)

apfelschorle

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4140 am: 18.Mai 2015, 15:14:56 »

Nur weil Straftäter länger im Gefängnis sitzen, hält es potentielle Straftäter nicht davon ab, solchen Taten zu begehen.
Das nicht, aber es hält diesen einen Täter davon ab, rückfällig zu werden. Warum hat Singapur eigentlich so eine niedrige Kriminalitätsrate? Kann das nicht auch am knallharten Rechtssystem liegen?
Warum haben die USA eine so hohe Kriminalitätsrate?
Hohe Strafen schrecken Täter kaum ab, wesentlich effektiver sind hohe Aufklärungsquoten - da dürfte man sich zumindest in der Rechtswissenschaft m.W.n. auch einig sein.
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Signor Rossi

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4141 am: 18.Mai 2015, 15:18:25 »

Ich bin kein Rechtswissenschaftler ;) Die USA haben gesellschaftliche Probleme, die wir nicht haben, sie haben ein laxes Waffengesetz, das wir zum Glück auch nicht haben und sie sperren Leute für Lappalien ein, deswegen sind die Gefängnisse da auch so voll.

Wie geschrieben, ich will ja nicht die Todesstrafe, aber tatsächlich lebenslang sollte es für Mord dann schon sein, nicht zur Abschreckung, sondern damit dieser Täter nicht weiter mordet, wenn er wieder frei ist.
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kn0xv1lle

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4142 am: 18.Mai 2015, 15:21:26 »

Nur weil Straftäter länger im Gefängnis sitzen, hält es potentielle Straftäter nicht davon ab, solchen Taten zu begehen.
Das nicht, aber es hält diesen einen Täter davon ab, rückfällig zu werden. Warum hat Singapur eigentlich so eine niedrige Kriminalitätsrate? Kann das nicht auch am knallharten Rechtssystem liegen?

Zitat
Ich bin ja auch dafür, dass den Opfern und ihren Angehörigen mehr geholfen werden sollte, aber Defizite in diesem Bereich kann man nicht auf die ganze Demokratie und den Rechtsstaat schieben.
So war es nicht gemeint ;) Der Rechtsstaat und die Demokratie sind dem Opfer gegenüber indifferent, wäre eine Tat nicht strafbewehrt, würde auch das den Rechtsstaat nicht kümmern. Der Staat an sich leidet auch nicht unter der Tat, das tun nur die Opfer und deren Familien. Dass wieder Menschen unter einem solchen Täter leiden müssen, dieser Preis ist mir zu hoch, das dürfte mMn. nicht wieder vorkommen und es sind ja leider nicht nur ein paar Ausnahmen, 18% ist schon eine Hausnummer.

Zitat
Ich bin bei Apfelschorle: Ein starker Rechtsstaat sollte moralische Überlegenheit walten lassen und es sich leisten, Straftäter, auch wenn sie ihnen schon berechtigterweise die Freiheit nimmt, wenigstens nicht wie Tiere zu behandeln.
Einen Mörder tatsächlich lebenslang einzusperren ist imho nicht wie ein Tier behandeln. Der Staat kann sich alles leisten, siehe wie vor, der ist nicht betroffen. Ich bin Gott sei Dank noch nie Opfer eines solchen Verbrechens geworden, auch in meiner Familie ist das noch nicht passiert, aber ich kann jeden Menschen verstehen, der dann zur Selbstjustiz greift.

Warum quellen dann in Amerika trotz der harten Strafen die Gefängnisse über ? Sowas kann man nicht einfach pauschalisieren und sagen in Singapur funktioniert es auch. Härtere Strafen führen nicht automatisch zu einer niedrigeren Rückfallquote.
Todesstrafe finde ich allein schon wegen der Möglichkeit der Unschuld aufgrund von Ermittlungsfehlern, Falschaussagen, fehlerhafte DNA Tests und andere tolle Sachen, die in unserem Rechtssystem leider auch allgegenwärtig sind für absolut falsch und nicht zu vereinbaren.
Und wer glaubt ein Kinderschänder würde im Gefängnis nicht durch die Hölle gehen, der ist ebenso auf dem Holzweg.
Und nein Selbstjustiz ist niemals zu befürworten. Auch wenn viele sofort den Pranger gerne wieder einführen würden obwohl der mit Facebook ja schon vorhanden ist.
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Splash

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4143 am: 18.Mai 2015, 15:32:32 »

Zum Thema Sexualstraftäter:
Ich wohne auf einem Hof mit mehreren Mietparteien. Mein direkter Nachbar ist ein verurteilter Sexualstraftäter. Mal abgesehen davon, dass er ohnehin ziemlich krank in der Birne ist (Messie, extrem paranoid), sieht er seine Tat nicht als Fehler an, er sieht den Fehler eher im Rechtssystem. Ich weiß jetzt auch nicht ob er unter den Begriff "Pädophilie" fällt, wenn ich mich recht erinnere, war sein Opfer damals ein 13 oder 14 Jahre alter Junge. Jedenfalls ist er mit seiner Verurteilung hier hausieren gegangen. Ich weiß nicht mehr genau wie lange er gesessen hat (3-4 Jahre glaube ich + Bewährung), aber er sollte im Anschluss an die Haft eine Therapie machen, die er jedoch abgelehnt und diesen Teil des Urteils angefechtet hat. Laut seiner Argumentation ist er nicht krank und man müsse ihm nicht helfen. Aufgezwungen wurde ihm diese Therapie letztlich auch nicht.

Ich will jetzt nicht sagen, dass er hätte getötet werden sollen, aber wie soll man solchen Menschen helfen, die absolut nicht einsehen, dass sie krank sind und Hilfe brauchen? Ich hab mich mal mit jemanden unterhalten, der meinte, man solle einfach ein eingezäuntes Dorf für solche bauen, dort können sie dann zusehen wie sie klar kommen.

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apfelschorle

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4144 am: 18.Mai 2015, 15:39:47 »

Wie geschrieben, ich will ja nicht die Todesstrafe, aber tatsächlich lebenslang sollte es für Mord dann schon sein, nicht zur Abschreckung, sondern damit dieser Täter nicht weiter mordet, wenn er wieder frei ist.
Dann sitzen im Endeffekt 4 von 5 Mördern den Rest ihres Lebens hinter Gittern obwohl nur einer von diesen 5 wieder rückfällig werden würde? Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, dass sie überhaupt nicht eingesperrt gehörten, aber ich halte es für falsch diese 4 in "Sippenhaft" (sie haben natürlich etwas schreckliches getan, aber hier geht es ja um die Frage Haftstrafe 20 Jahre v. Haftstrafe bis zum Tod) zu nehmen.
Bei verurteilten Mördern sollte man zudem noch bedenken, dass die lange Haftstrafe und die anschließende Entlassung ihnen quasi den Boden unter den Füßen wegziehen und sie plötzlich vor dem Nichts stehen, was eine erneute Straftat wesentlich wahrscheinlicher werden lässt (im Vergleich zum Normalbürger).
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Signor Rossi

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4145 am: 18.Mai 2015, 17:44:05 »

Zuerst mal sollten Mörder tatsächlich lebenslang in Knast bleiben müssen, weil sie ja schon mindestens ein Leben auf dem Gewissen haben, ihre Opfer bleiben ja auch für immer tot, von daher sehe ich keinen Grund, diese Personen jemals wieder auf freien Fuß zu setzen. Dass sie dann nicht rückfällig werden können ist ein positiver Nebeneffekt. Ich hatte es ja weiter oben schon geschrieben: ich habe für solche Menschen keinerlei Empathie übrig und das bedeutet, ja, dann bleiben 5 von 5 Mördern im Knast.
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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4146 am: 18.Mai 2015, 18:12:21 »

Zuerst mal sollten Mörder tatsächlich lebenslang in Knast bleiben müssen, weil sie ja schon mindestens ein Leben auf dem Gewissen haben, ihre Opfer bleiben ja auch für immer tot, von daher sehe ich keinen Grund, diese Personen jemals wieder auf freien Fuß zu setzen. Dass sie dann nicht rückfällig werden können ist ein positiver Nebeneffekt. Ich hatte es ja weiter oben schon geschrieben: ich habe für solche Menschen keinerlei Empathie übrig und das bedeutet, ja, dann bleiben 5 von 5 Mördern im Knast.
Da bin ich wieder ganz anderer Meinung. Ich finde, jeder hat eine 2. Chance verdient. Außerdem gibt es leider auch keine 100% richtigen Verurteilungen. (mir fällt die passende formulierung nicht ein. falsch verurteilte halt :D)
Wenn er aber dann ein 2. Mal "zuschlägt", dann hätte ich keine Gnade mehr. Auch wenn dann eine der 2 Verurteilungen falsch war.
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Signor Rossi

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4147 am: 18.Mai 2015, 18:53:28 »

Vllt. sehe ich das zu emotional, weil ich mich auf das Opfer fixiere, aber da kann ich einfach nicht aus meiner Haut.
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Cooke

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4148 am: 18.Mai 2015, 19:25:59 »

a.A. wohl gut vertretbar, siehe: http://www.strafakte.de/strafprozessrecht/153a-stpo-selbstbelastungsfreiheit-nemo-tenetur/

Ich tue mich eher schwer damit, das Verfahren gegen einen, eventuell unschuldigen, gegen Zahlung einer Geldsumme und Ablegung eines Geständnisses einzustellen. Welcher Beschuldigte wird denn, ob unschuldig oder schuldig, ernsthaft überlegen, ob er der Verfahrenseinstellung unter den Voraussetzungen zustimmt? Es besteht auch für den unschuldig Beschuldigten die Gefahr einer Verurteilung - wie hoch diese ist, ist nach Aktenlage zu entscheiden - und somit wird auch der Unschuldige eher dazu neigen, ein eventuell falsches Geständnis abzulegen um Gewissheit zu haben, nicht verurteilt zu werden.
Ein Geständnis als Voraussetzung von § 153 a ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen und ich bin ganz bei dem Autor des oben verlinkten Artikels, der die Forderung eines Geständnisses stark kritisiert. Einen Mehrwert bietet das Geständnis des Beschuldigten i.R.d. § 153 a StPO nicht.

(habe die Zitatkette mal etwas gekürzt)

Ich sehe das ehrlich gesagt etwas anders. Bei dem Punkt, dass ein Geständnis keine zwingende Voraussetzung für eine Einstellung nach § 153a ist, gehe ich noch mit. Würde aber bestreiten, dass ein Geständnis keinen Mehrwert liefert, da sich ein Geständnis für die Strafzumessung bspw. auch stafmildernd auswirkt. Warum kann man dann nicht sagen, dass es auch dazu dient das öffentliche Strafverfolgungsinteresse zu mindern oder dass die Schuld durch das Geständnis als geringer angesehen wird?

Überdies wird meiner Ansicht nach auch der nemo tenetur Grundsatz nicht umgangen, da dem Angeklagten weiterhin das Recht zusteht nicht auszusagen und eine Einstellung des Verfahrens abzulehnen, wenn die Staatsanwaltschaft im Gegenzug ein Geständnis verlangt. Gerade bei Angeklagten mit anwaltlicher Beratung kann man erwarten, dass diese die Faktenlage genau einschätzen und in besonnener Selbstbehauptung auf eine Einstellung verzichten können, zumal mit eben jener im Fall von § 153a noch Auflagen verbunden sind. Viel problematischer ist doch vor diesem Hintergrund die Verständigung nach § 257c, insbesondere bei Ansicht des § 257c Abs. 2 S. 2: "Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein."

Um nochmal auf Edathy zurückzukommen - wenn man wirklich nichts gefunden hätte, dass als strafbares kinderpornographisches Material zu bewerten ist, dann wäre gerade in Ansicht der Medienlandschaft eine Einstellung für ihn doch die denkbar schlechteste Alternative gewesen. Warum hätte er eine Verurteilung fürchten sollen? Schließlich würde sich aus der Beweisaufnahme schon ergeben, dass er unschuldig ist. Außerdem ist sein Ruf durch die Einstellung mindestens genauso schwer geschädigt wie er durch eine Verurteilung geschädigt wäre. Auf dem Papier ist er zwar nicht verurteilt worden, aber da er so extrem im Medienfokus stand werden sich auch in 10 Jahren noch potentielle Arbeitgeber an diese Verfahrenseinstellung erinnern. Meiner Meinung nach ist er übrigens allein durch diesen Medienprozess mehr als genug bestraft, aber das ist eine ganz andere Sache.
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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4149 am: 18.Mai 2015, 20:31:13 »

Schließlich würde sich aus der Beweisaufnahme schon ergeben, dass er unschuldig ist.

Das trifft aber nicht immer zu. Zu Unrecht verurteilte gibt und gab es schon genug, Beispiel Harry Wörz.

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4150 am: 18.Mai 2015, 21:09:57 »

Ich bringe mal ein Besipiel aus meiner Vergangenheit. Es ging da um eine kleine Prügelei, nach der ein Türsteher 6 Monate arbeitsunfähig war. Klar, dafür hab ich gesorgt. Aber angefangen zu prügeln habe nicht ich. Gegen ein Schuldeingeständnis kam ich mit 50 Sozialstunden davon, und ca. 3000 Euro schmerzensgeld (welche meine Haftpflicht(!) übernommen hat). Mein anwalt legte mir damals ausdrücklich nahe das anzunehmen, auch wenn ich mich nach wie vor im Recht sah. Ich habe mich lediglich verteidigt und dabei hat der "Aggressor" durch einen (un)glücklichen Zufall enormen Schaden davon getragen. Allerdings hatte er halt 6 Türsteherkollegen, die die Situation etwas anders vollkommen anders darstellten. Dass ich sagte diese 6 Leute waren gar nicht anwesend war halt auch egal.
Kurz gesagt habe ich also ein "Geständnis" abgelegt um aus der Nummer nicht vorbestraft und ohne weitere Kosten raus zu kommen.

Das vielleicht einfach mal aus Sicht des "Übeltäters".
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apfelschorle

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4151 am: 18.Mai 2015, 23:28:06 »

Ich sehe das ehrlich gesagt etwas anders. Bei dem Punkt, dass ein Geständnis keine zwingende Voraussetzung für eine Einstellung nach § 153a ist, gehe ich noch mit. Würde aber bestreiten, dass ein Geständnis keinen Mehrwert liefert, da sich ein Geständnis für die Strafzumessung bspw. auch stafmildernd auswirkt. Warum kann man dann nicht sagen, dass es auch dazu dient das öffentliche Strafverfolgungsinteresse zu mindern oder dass die Schuld durch das Geständnis als geringer angesehen wird?
Ein Angeklagter der vom Staatsanwalt vor die Wahl gestellt wird: Verhandlung mit ungewissem Ende v. Einstellung + Zahlung + Geständnis wird sich meines Erachtens nach in überproportional vielen Fällen für letztere Variante entscheiden, unabhängig davon ob die vorgeworfene Tat wirklich begangen wurde oder nicht. Mit einem abgenötigten Geständnis lügt sich die StA in die Taschen, nach dem Motto "wenn er jetzt gesteht muss an den Vorwürfen ja irgendwas dran gewesen sein".

Überdies wird meiner Ansicht nach auch der nemo tenetur Grundsatz nicht umgangen, da dem Angeklagten weiterhin das Recht zusteht nicht auszusagen und eine Einstellung des Verfahrens abzulehnen, wenn die Staatsanwaltschaft im Gegenzug ein Geständnis verlangt. Gerade bei Angeklagten mit anwaltlicher Beratung kann man erwarten, dass diese die Faktenlage genau einschätzen und in besonnener Selbstbehauptung auf eine Einstellung verzichten können, zumal mit eben jener im Fall von § 153a noch Auflagen verbunden sind.
Dem ersten Teil würde ich gar nicht widersprechen, beim zweiten tue ich mich schwer. Eine Dozentin von mir meinte bei der Behandlung des § 153a sinngemäß, dass der Angeklagte eine Kosten-Nutzen Rechnung machen müsste und die würde auch bei zu unrecht Beschuldigten sehr häufig in die Richtung gehen, der Einstellung inkl. Geständnis zuzustimmen nur um der Gefahr einer Verurteilung zu entgehen. Bei einer sehr eindeutigen Faktenlage werden natürlich viele die Einstellung ablehnen, aber je unsicherer der Ausgang ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Beschuldigte eine Tat zugibt, die von ihm nicht begangen wurde.

Um nochmal auf Edathy zurückzukommen - wenn man wirklich nichts gefunden hätte, dass als strafbares kinderpornographisches Material zu bewerten ist, dann wäre gerade in Ansicht der Medienlandschaft eine Einstellung für ihn doch die denkbar schlechteste Alternative gewesen. Warum hätte er eine Verurteilung fürchten sollen? Schließlich würde sich aus der Beweisaufnahme schon ergeben, dass er unschuldig ist. Außerdem ist sein Ruf durch die Einstellung mindestens genauso schwer geschädigt wie er durch eine Verurteilung geschädigt wäre. Auf dem Papier ist er zwar nicht verurteilt worden, aber da er so extrem im Medienfokus stand werden sich auch in 10 Jahren noch potentielle Arbeitgeber an diese Verfahrenseinstellung erinnern. Meiner Meinung nach ist er übrigens allein durch diesen Medienprozess mehr als genug bestraft, aber das ist eine ganz andere Sache.
Die Einordnung des Materials soll wohl streitig gewesen sein, aber selbst wenn es strafrechtlich nicht relevantes, aber dennoch kinderpornografisches, Material gewesen sei, wäre das den Medien und einem Großteil der Gesellschaft doch egal gewesen. Edathy wäre so oder so der pädophile Kinderpornoschauer gewesen der zuunrecht freigesprochen wurde. Die Medienreaktion wäre kaum anders gewesen, wenn keine nackten sondern ausschließlich Kinder in Unterwäsche zu sehen gewesen wären. Die Medien und der Mob differenzieren da nicht. Da wird nur schnell die Mistgabel und die Fackel aus dem Schrank geholt und das Monster durch die Stadt gejagt.
Medial und politisch wäre er so oder so verbrannt gewesen, so kann er sich wenigstens selbt als unschuldig betrachten, auch wenn der Großteil der Bürger das anders sieht.
Anders rum gefragt: Warum hat die StA eine Einstellung angeregt, wenn eine Verurteilung doch nur "Formsache" gewesen wäre?

Dem letzten Satz würde ich uneingeschränkt zustimmen. Die Medien haben sich da - mal wieder - nicht mit Ruhm bekleckert und das Leben eines - eventuell- unschuldigen auf Dauer ruiniert. Aber damit kennen sich einige Zeitungen ja aus, man muss nur mal Herrn Kachelmann fragen....
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Tony Cottee

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4152 am: 19.Mai 2015, 09:30:47 »

Es freut mich außerordentlich, hier eine solch differenzierte Debatte zu lesen. Leider ist man aus dem Internet - und teilweise aus persönlichen Unterhaltungen - ja fast nur noch Eier abschneiden-"Argumentationen" gewohnt.

Da ich apfelschorle und einigen Vorrednern nur zustimmen kann, möchte ich nur noch ein weiteres Argument ins Feld führen:

Das was Edathy getan und zugegeben hat (dass er Material bestellt hat, hat er ja zugegeben, nicht dass dies strafrechtlich relevant sei), ist sicherlich moralisch zutiefst verwerflich und ich möchte das auch nicht beschönigen - ABER:

Es ist halt nicht nachgewiesen, dass er etwas strafrechtlich Relevantes getan hat und solange dies der Fall ist, gilt die Unschuldsvermutung.

Und was die moralische Kategorie betrifft: Ich bin sehr froh, dass wir in Deutschland mit der Abschaffung des "Homosexuellen-Paragraphen" aufgehört haben, nach moralischen Kategorien zu strafen. Was strafrechtlich nicht relevant ist und im Privatleben von anderen Leuten vor sich geht, geht mich einfach nichts an.

Dass Edathy durch die Medien nun ohnehin faktisch gesellschaftlich geächtet ist, lässt sich nicht mehr umkehren und ist sicherlich keine Meisterleistung für den deutschen Journalismus und unsere Gesellschaft.
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White

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4153 am: 19.Mai 2015, 09:36:14 »

Dass Edathy durch die Medien nun ohnehin faktisch gesellschaftlich geächtet ist, lässt sich nicht mehr umkehren und ist sicherlich keine Meisterleistung für den deutschen Journalismus und unsere Gesellschaft.
Das ist für mich ein höchst bedenklicher Punkt. Die Medien haben "zu viel Macht". Vor allem wird die Sau erstmal durchs Dorf getrieben, bevor man überhaupt nähere Informationen hat. Die Meinung des geminen Volks ist bereits "gebildet" bevor überhaupt wirklich etwas passiert. Auch in vielen anderen Fällen. Man denke an unseren ehemaligen Bundespräsidenten zum Beispiel.
Selbst wenn Edathy es auf einen Prozess ankommen lassen hätte und freigesprochen worden wäre - der Aufschrei in der "Herde" wäre enorm gewesen und gebrandmarkt wäre er auch gewesen, ob jetzt schuldig oder nicht. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass sogar bei einem BEWEIS seiner Unschuld, also nicht nur bei einem "normalen" Freispruch das einfach keinen Interessiert hätte.
Denn so ist das leider.
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Tony Cottee

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4154 am: 19.Mai 2015, 09:43:49 »

Es sind ja nicht nur die Medien. Auch die Polizei hat hier aus meiner Sicht eine seltsame Rolle gespielt.

Wie kann es sonst sein, dass bei der Durchsuchung seiner Privaträume ein Fotojournalist der lokalen Presse zugegen ist und durch das offene Fenster eine Zeichnung (ein Kunstwerk/Bild) fotografiert, das dem fantasiebegabten Leser dann auch noch als "Jugendakt" erscheinen dürfte und bereits direkt von "Kinderpornoverdacht" schreibt?

http://www.pi-news.net/2014/02/wo-sind-edathys-filme/
https://www.dieharke.de/Lokales/Lokales/31076/Staatsanwaltschaft_ermittelt_gegen_Edathy.html

Dazu noch die seltsamen Durchsteckereien der Staatsanwaltschaft, die ja auch schon im Wulff-Fall Indiskretionen an den Tag gelegt hat...

http://www.tagesspiegel.de/politik/staatsanwalt-frank-luettig-anklaeger-von-christian-wulff-und-sebastian-edathy-unter-verdacht/11402996.html

Hat natürlich aber null, null damit zu tun, dass der ehemalige Abgeordnete Edathy sich im NSU-Untersuchungsausschuß mit dem exekutiven Staatsapparat "angelegt" hat und sich auch bei der Presse nie beliebt gemacht hat.
« Letzte Änderung: 19.Mai 2015, 09:47:56 von Tony Cottee »
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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4155 am: 19.Mai 2015, 09:45:04 »

Ich hatte ja mal angeregt, in krassen Ausnahmefällen über eine Zensur der Medien nachzudenken. So wird eine Sensationsberichterstattung ohne wirkliche Grundlage verhindert, dazu die Unschuldsvermutung auch mal wieder angewendet. Leider sind die Medien abhängig von der Quote (Leser, Klicks, Werbepartner, etc.) und der allgemeine Mob regt sich gern auf, vor allem über die reicheren Politiker und Promis. Da kommt es den Medien entgegen, wenn sie einen Tipp bekommen, wie man eine kleine Sache wie bei Wulff zur Megastory aufblasen kann (auch mithilfe leider immer mehr werdender profilierungssüchtiger Staatsanwälte).
« Letzte Änderung: 19.Mai 2015, 09:46:47 von Starkstrom_Energie »
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HaHoHe, Euer Jürgen!

Signor Rossi

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4156 am: 19.Mai 2015, 09:46:08 »

Zensur ist mindestens genauso übel wie die Todesstrafe.
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Tim Twain

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4157 am: 19.Mai 2015, 09:47:00 »

Zensur ist mindestens genauso übel wie die Todesstrafe.
Rufmord ist auch nicht so viel besser...
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Tony Cottee

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4158 am: 19.Mai 2015, 09:49:25 »

Es würde ja schon ausreichen, wenn die Medien sich einfach mal wieder an ihre beruflichen Standards orientieren würden.

Die Medien genießen völlig zurecht einen besonderen grundgesetzlichen Schutz - nur sollten sie dann auch alles dazu beitragen unser Grundgesetz zu schützen. Das tun sie in vielen Fällen nicht mehr. Die Bild hat es noch nie getan.

Die Zensur sollte übrigens durch den Leser stattfinden.
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Tim Twain

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Re: Allgemeine Nachrichten
« Antwort #4159 am: 19.Mai 2015, 09:56:35 »

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