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Autor Thema: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread  (Gelesen 202200 mal)

DeDaim

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1060 am: 26.September 2017, 08:34:31 »

Also selbst bei einigen BWLern ist man zu der Einsicht gelangt, dass grenzenlose Expansion auf globaler Ebene mehr Schaden als Nutzen nach sich zieht.

Interessant. Ich bin leider mit der Materie nicht so vertraut, deswegen wäre ich um Aufklärung dankbar. :)

Ist Expansion in diesem Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum gleichzusetzen? Falls ja, wie würde Expansion auf regionaler/nationaler Ebene aussehen?

Wie sieht man in den Wirtschaftswissenschaften Postwachstums-Ansätze? Ich weiß, unser aktuelles Wirtschaftssystem braucht Wachstum, alleine schon, um stabil zu sein. Es gibt auch stichhaltige Argumente, die sich durchaus historisch belegen lassen, dass ein Null-Wachstum zu Innovationsstau führen könnte und dergleichen mehr. Aber wie sehen denn die Pro-Argumente aus wirtschaftlicher Sicht aus?
Mich interessiert das aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung, denn ich kann mir ein "grünes Wachstum" nicht vorstellen, alle Argumente, die ich dafür bisher gelesen habe, konnten mich nicht überzeugen. In einem endlichen System (Erde) kann man eben nicht endlos wachsen, auch nicht digital. Ich hatte mich damit mal im Rahmen einer Hausarbeit beschäftigt (Ansätze von Green Growth und Degrowth in Bezug auf Menschenrechte), deswegen bin ich da gerade so interessiert. ;)

Klar ist, dass eine Postwachstumsgesellschaft und -wirtschaft radikal anders aussehen würde, als unsere jetzige. Aber vielleicht sind die kommenden, herausfordernden Jahrzehnte ja eine Chance, neue Pfade einzuschlagen. In der Geschichte war ja noch nie irgendwas in Stein gemeißelt. ;)
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1061 am: 26.September 2017, 08:57:59 »

BWL würd mich auch interessieren was der neuste Stand ist, hätte das jetzt als VWL eingeschätzt.

Ich formuliere es mal umgangssprachlich: Vorallem in der Banklehre lernt man, dass der Kapitalismus ein Kettenbrief ist. Es braucht immer Neuverschuldung. Es gibt "dumme" Neuverschuldung (Saufen, Feiern) und es gibt "gute" Neuverschuldung (Investitionen). Das Ziel muss im Gesamtsystem betrachtet sein, dass die Neuverschuldung für Wirtschaftswachstum verwendet wird, damit dann wiederrum die gesteigerte Wirtschaftskapazität einerseits die Zinsen bedienen kann, andererseits die Grundlage für eine neue Neuverschuldung gelegt wird. Das "Nicht-Neuverschuldungsgeld" darf natürlich gerne "versoffen" werden, denn wir arbeiten ja um zu leben, nicht leben um zu arbeiten.

Ergo: Deutsches Modell nach dem Krieg - Marschallgelder (= Die "Urschuld" der Bundesrepublik, besichert durch Grundstücke) und die Wirtschaft aufbauen, damit es "unseren Kindern mal besser geht" ==> Wachstum.
Griechisches Modell nach der Euroeinführung - Eurogelderschulden um sie zu versaufen ==> Problem.

Würde man Morgen systemweit mit der Schuldentilgung anfangen, dann gäbe es bald keinen einzigen Euroschein mehr. Da eine Summe X an Geld zu jedem Zeitpunkt existiert, aber eine Summe X + Zins zurückgezahlt werden muss, würde dem Gesamtsystem (nicht dem Einzelnen!) nach Adam Riese schlicht die Kohle ausgehen. Das kann man nur durch einen "Schuldenschnitt" oder Verwässerung (=Inflation = Entwertung der Schulden) bekämpfen, wenn man kein Wirtschaftswachstum produziert. Das heißt das Geheimnis der kapitalistischen Dynamik liegt in der Schuldenkeule gepaart mit einem rechtssicheren Raum. Es muss sich immer zumindest einer der Akteure Staat, Private oder Unternehmen neuverschulden, damit der Spaß weiterläuft.

Die neuen Schulden können nur bedient werden, wenn der entstandende Kredit wachstumsfördernd (= Ermöglichung der Schuldenbedienung, weil nach der Erfindung des Iphone jede Hausfrau sich bei EasyCredit Kohle freiwillig holt, um sich eines zu kaufen...Gesamtsystembezogen) verwendet werden. Relevant ist hierbei die Gesamtsystembetrachtung. Der einzelne "darf" auch mal pleite gehen, das gehört dazu. Problem: 1. Wachstum = Physikalische Grenzen, quo vadis? 2. "Es gibt bei der Bank kein Recht auf Kredit" und 3. "Erstmal ne gute Idee haben".

Das ist genauso bescheuert wie es klingt.
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1062 am: 26.September 2017, 09:51:52 »

Wie sieht man in den Wirtschaftswissenschaften Postwachstums-Ansätze?

Wozu? Erstens befeuert die technische Innovation das Wirtschaftswachstum, den neuen OLED-Fernseher oder das eBike mit eingebauter Obsoleszenz braucht keiner, da spielt dann "Haben will!" eine große Rolle. Und zweitens gibt es auf diesem Planeten Unmengen Menschen, die gerade mal das nötigste zum Überleben haben, der Markt für Güter aller Art ist gewaltig groß.

Das ist genauso bescheuert wie es klingt.

Naja, dieses "bescheuerte" System hat weiten Teilen der Welt großen Wohlstand beschert. Dass im Geldsystem einiges falsch läuft ist unbestritten, aber das System an sich funktioniert hervorragend.
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1063 am: 26.September 2017, 10:31:20 »

Naja, dieses "bescheuerte" System hat weiten Teilen der Welt großen Wohlstand beschert. Dass im Geldsystem einiges falsch läuft ist unbestritten, aber das System an sich funktioniert hervorragend.

Stimmt, war nicht wertend gemeint. Eher "ich hab keine Ahnung warum es so gut läuft, aber es funktioniert - also machen wir es so."
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DeDaim

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1064 am: 26.September 2017, 10:56:28 »

Wie sieht man in den Wirtschaftswissenschaften Postwachstums-Ansätze?

Wozu? Erstens befeuert die technische Innovation das Wirtschaftswachstum, den neuen OLED-Fernseher oder das eBike mit eingebauter Obsoleszenz braucht keiner, da spielt dann "Haben will!" eine große Rolle. Und zweitens gibt es auf diesem Planeten Unmengen Menschen, die gerade mal das nötigste zum Überleben haben, der Markt für Güter aller Art ist gewaltig groß.

Der Markt für Güter mag unendlich groß sein, die Ressourcen unseres Planeten sind es nicht. Man kann auch nicht unendlich Ressourcen recyclen (Stichwort "Downcycling") und die Effizienz der Ausnutzung steigern - ein Ressourcenverbrauch wird bleiben. Dazu kommen etwaige Ressourcennutzungen bei der Produktion dieser Güter, allein schon um die notwendige Energie herzustellen.
Und was die Menschen in aller Welt anbelangt, die am Rande des Existenzminimums (oder weit darunter) leben: Diese Menschen leben unter anderem so, weil unser Wirtschaftswachstum auf Kosten anderer Teile der Welt geht. Postwachstumskonzepte liefern da interessante Ansätze zur Behebung dieser Probleme, über die man zumindest mal intensiver nachdenken könnte - z.B. Null- oder Negativwachstum ermöglicht nachhaltiges(!) Wachstum in Entwicklungsländern, als ein Beispiel.

Der entscheidende Punkt bleibt für mich aber der erstgenannte: Wir leben in einem endlichen System namens Erde und, allein schon logisch, ist es nicht möglich innerhalb eines endlichen Systems unendlich zu wachsen. Das bedeutet meiner Ansicht nach, dass wir über den Tellerrand hinausschauen und uns nach alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepten umsehen müssen, wollen wir eine Welt hinterlassen, in der auch noch kommende Generationen gut leben können. In solchen Diskussionen ist aktuell die Vorstellung vom "grünen Wachstum" dominierend (kurz gesagt: das Wachstum wird in die digitale Welt verlagert), das mich persönlich bislang aber nicht überzeugen konnte. Unter anderem aus oben genannten Gründen. Alternativ gibt es Postwachstumskonzepte, die außerhalb der bislang gedachten Bahnen denken und die, meiner Meinung nach, mal ernsthaft in größerem Rahmen diskutiert werden sollten. Deshalb meine Frage, ob und wie Postwachstumskonzepte in den Wirtschaftswissenschaften diskutiert und im Studium behandelt werden.

Hierzu empfehlenswert:
- Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt. (hat mich damals sehr beeindruckt)
- Meadows et al: Grenzen des Wachstums - Das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel. (Bei aller berechtigter Kritik immer noch sehr, sehr lesenswert).

Um das noch einmal klar zu stellen: Ich will keine Panik machen, oder Untergangsszenarien entwerfen, aber es gibt nun einmal natürliche Grenzen, an die wir früher oder später stoßen werden und ich bin immer dafür, rechtzeitig zu agieren und gestalten, statt sehenden Auges ins Messer zu laufen und dann nur noch spät und schlecht reagieren zu können.
« Letzte Änderung: 26.September 2017, 10:58:24 von Fuchs »
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1065 am: 26.September 2017, 10:59:22 »

Naja, dieses "bescheuerte" System hat weiten Teilen der Welt großen Wohlstand beschert. Dass im Geldsystem einiges falsch läuft ist unbestritten, aber das System an sich funktioniert hervorragend.

Stimmt, war nicht wertend gemeint. Eher "ich hab keine Ahnung warum es so gut läuft, aber es funktioniert - also machen wir es so."

Es funktioniert deshalb so gut, weil es auf Kosten anderer geht. Mit ein Grund, warum zB in Afrika keine Chance besteht, eine sich lohnende, lokale Landwirtschaft aufzubauen, ist, dass die EU ihr Saatgut so billig nach Afrika verkauft, dass die lokalen Bauern gar nicht so weit mit den Preisen runter gehen können, um da mitzuhalten.
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1066 am: 26.September 2017, 11:05:33 »

Es funktioniert deshalb so gut, weil es auf Kosten anderer geht. Mit ein Grund, warum zB in Afrika keine Chance besteht, eine sich lohnende, lokale Landwirtschaft aufzubauen, ist, dass die EU ihr Saatgut so billig nach Afrika verkauft, dass die lokalen Bauern gar nicht so weit mit den Preisen runter gehen können, um da mitzuhalten.

An dieser Stelle ein oft genutztes Zitat von Gregor Gysi: "Europa lebt auf Kosten der dritten Welt, und wir wundern uns dann, dass das Elend bei uns anklopft." Könnten einige im Thread hier mal drüber nachdenken.

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1067 am: 26.September 2017, 12:02:11 »

Also selbst bei einigen BWLern ist man zu der Einsicht gelangt, dass grenzenlose Expansion auf globaler Ebene mehr Schaden als Nutzen nach sich zieht.

Interessant. Ich bin leider mit der Materie nicht so vertraut, deswegen wäre ich um Aufklärung dankbar. :)

Ist Expansion in diesem Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum gleichzusetzen? Falls ja, wie würde Expansion auf regionaler/nationaler Ebene aussehen?

Wie sieht man in den Wirtschaftswissenschaften Postwachstums-Ansätze? Ich weiß, unser aktuelles Wirtschaftssystem braucht Wachstum, alleine schon, um stabil zu sein. Es gibt auch stichhaltige Argumente, die sich durchaus historisch belegen lassen, dass ein Null-Wachstum zu Innovationsstau führen könnte und dergleichen mehr. Aber wie sehen denn die Pro-Argumente aus wirtschaftlicher Sicht aus?
Mich interessiert das aus der Perspektive nachhaltiger Entwicklung, denn ich kann mir ein "grünes Wachstum" nicht vorstellen, alle Argumente, die ich dafür bisher gelesen habe, konnten mich nicht überzeugen. In einem endlichen System (Erde) kann man eben nicht endlos wachsen, auch nicht digital. Ich hatte mich damit mal im Rahmen einer Hausarbeit beschäftigt (Ansätze von Green Growth und Degrowth in Bezug auf Menschenrechte), deswegen bin ich da gerade so interessiert. ;)

Klar ist, dass eine Postwachstumsgesellschaft und -wirtschaft radikal anders aussehen würde, als unsere jetzige. Aber vielleicht sind die kommenden, herausfordernden Jahrzehnte ja eine Chance, neue Pfade einzuschlagen. In der Geschichte war ja noch nie irgendwas in Stein gemeißelt. ;)

Genau mit diesen Nachhaltigkeitsgedanken sollten sich angehende Betriebswirte der Zukunft idealerweise auseinandersetzen und das schliesst auch volkswirtschaftliche Betrachtungen mit ein, z.B. was sozial, politisch, umweltverträglich ist, welche Lehren man aus den globalen Disparitäten zieht, welche Lebensstandards erstrebenswert sind usw. Teile der Volkswirtschaft sind schon so lange in dem abstrakten Zustand, dass eine Preisbildung im klassischen Sinne überhaupt nicht mehr statt findet. Da kann man keine Smithsche Schablone mehr drüberziehen, weil der Staat massiv regulieren muss und davor hat auch Smith schon gewarnt ("Der Wettbewerber hat es am Liebsten, wenn es keine Wettbewerber gibt.").
Ich kann dir kein Postwachstums-Szenario aufzeigen, da ich damit Neuland betrete. Nach meiner Ansicht ist aber Grün alternativlos und dass sich bei vielen Global Playern die verkrusteten Denkstrukturen in der Ökopolitik so lange aufrecht hielten, finde ich höchst seltsam. Ich persönlich habe den Eindruck, man will die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen aufrecht erhalten, eben genau aus dem Grund weil sie nur in begrenzten Mengen vorhanden sind. In den U.S.A. schlagen sich Unternehmen schon heute um die Trinkwasserreservoirs, weil sie sehen, dass in diesem Land durch das rücksichtslose Wirtschaften Trinkwasser zu einem begrenzten Gut wird. So weit sollte es bei uns gar nicht erst kommen.
Alternativ käme ein Weltkrieg infrage, damit man eine Basis hat, auf der sich wieder Wachstum generieren lässt.
Wie sieht man in den Wirtschaftswissenschaften Postwachstums-Ansätze?

Wozu? Erstens befeuert die technische Innovation das Wirtschaftswachstum, den neuen OLED-Fernseher oder das eBike mit eingebauter Obsoleszenz braucht keiner, da spielt dann "Haben will!" eine große Rolle. Und zweitens gibt es auf diesem Planeten Unmengen Menschen, die gerade mal das nötigste zum Überleben haben, der Markt für Güter aller Art ist gewaltig groß.

Das ist genauso bescheuert wie es klingt.

Naja, dieses "bescheuerte" System hat weiten Teilen der Welt großen Wohlstand beschert. Dass im Geldsystem einiges falsch läuft ist unbestritten, aber das System an sich funktioniert hervorragend.

Noch scheint es so, obwohl diese Motorik in Anbetracht der derzeitigen Situation genug Anlass zur Sorge geben sollte. Wenn über 1/3 der im Jahr produzierten Lebensmittel der BRD weg geworfen werden, ist das nicht nur eine Wertschätzungsfrage, sondern auch eine Frage, wer das subventioniert und warum man die Agrarflächen ohne Not weiter verseucht. Das wird erst dann ein Thema, wenn in Kitas die Kinder an multiresistenten Keimen sterben. Mit der Autoindustrie ist es ganz ähnlich. Die Kapazitäten an Neuwagen-Käufern sind überhaupt nicht gegeben. Wir leben wirklich noch in einer Märchenwelt. Man kann nicht von Konsumkolonien schwärmen, auf die man sein Wirtschaftsterritorium ausweitet, während der Konsument am anderen Ende stirbt bzw. gar nicht erst den Status eines bilateralen Partners erreicht. Ein Konsument ist ja in erster Linie auch Arbeitnehmer.
Was heute sozio-ökonomische Probleme sind, sind morgen globale Flüchtlingskrisen und hier schließt sich nämlich der Kreis zum unternehmerischen Handeln.
« Letzte Änderung: 26.September 2017, 12:26:22 von Tremonianer »
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"Ein Fan hat mir erzählt, wie sehr er mich für meinen Schuss verflucht hat. »So ein Idiot, wie kann der aus dieser Situation aufs Tor schießen«, hat er gewütet und sich abwinkend weggedreht. Wenige Sekunden später brach der Jubel los und seine Freunde und er lagen quer übereinander."L.Ricken

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1068 am: 26.September 2017, 12:29:09 »

Alternativ käme ein Weltkrieg infrage, damit man eine Basis hat, auf der sich wieder Wachstum generieren lässt.

Oder der Griff nach den Sternen. Wäre mir (innerhalb des Systems betrachtet) lieber. Mir fehlt der Glaube für eine Lösung außerhalb des Systems, vllt. weil es auch schwierig ist innerhalb des Systems außerhalb zu denken.
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DeDaim

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1069 am: 26.September 2017, 13:12:24 »

@Tremonianer: Danke für deine Ausführungen. :) Dem entnehme ich aber, dass zumindest im Studiengang BWL, alternative Wirtschaftskonzepte, die nicht auf Wachstum setzen, nicht wirklich behandelt werden. Das ist bedenklich, andererseits auch Ausdruck unseres Bildungssystems, meiner Meinung nach (ohne da jetzt ein neues Fass aufmachen zu wollen).

Alternativ käme ein Weltkrieg infrage, damit man eine Basis hat, auf der sich wieder Wachstum generieren lässt.

Oder der Griff nach den Sternen. Wäre mir (innerhalb des Systems betrachtet) lieber. Mir fehlt der Glaube für eine Lösung außerhalb des Systems, vllt. weil es auch schwierig ist innerhalb des Systems außerhalb zu denken.
Ich glaube nicht, dass der Griff nach den Sternen in den kommenden 50 Jahren eine ausreichende Entlastung für die Erde bringen wird und ich glaube auch nicht, dass wir noch 50 Jahre so weiter machen können, wie bisher.

Was das Denken innerhalb und außerhalb des Systems anbelangt: Na gut, mache ich das Fass halt doch auf, in der Hoffnung dich richtig verstanden zu haben. Aktuell ist unser Bildungssystem darauf ausgelegt, vergleichend und gezielt Wissen abzufragen. Wer das gefragte Wissen am besten wiedergibt, bekommt eine 1. Außerhalb der vorgegebenen Bahnen zu denken ist nur möglich, wenn der Lehrer das auch zulässt. Oft habe ich das während meiner Schulzeit allerdings nicht erlebt. So bekommt man am Ende eben auch Leute heraus, die innerhalb von Bahnen und Mustern denken, die über Jahre angelegt wurden. Eine der wichtigsten menschlichen Gaben, die Vorstellungskraft, verkümmert da meiner Meinung nach. An dieser Stelle als Disclaimer: Ich möchte damit keinesfalls die Lehrer angreifen, im Gegenteil, ich ziehe meinen Hut vor jedem, der diesen Beruf ausübt. Ich denke nur, man müsste Bildung und den Erwerb von Wissen offener gestalten (sprich mehrere Pfade ermöglichen), um wieder mehr Kreativität zu fördern. Dazu gehört meines Erachtens die Förderung alternativer Bildungskonzepte und die Einführung einer Bildungs- statt einer Schulpflicht, wie es in vielen Ländern der Fall ist. Damit würde den individuellen Bedürfnissen der Kinder mehr Rechnung getragen werden. Aber eigentlich wollte ich gar keine Bildungsdiskussion lostreten, wenngleich das spannend werden dürfte, sondern nur meine allgemeine Beobachtung zur "Systemfrage" teilen. ::) ;D
« Letzte Änderung: 26.September 2017, 13:14:25 von Fuchs »
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1070 am: 26.September 2017, 13:37:07 »

Aktuell ist unser Bildungssystem darauf ausgelegt, vergleichend und gezielt Wissen abzufragen. Wer das gefragte Wissen am besten wiedergibt, bekommt eine 1. Außerhalb der vorgegebenen Bahnen zu denken ist nur möglich, wenn der Lehrer das auch zulässt. Oft habe ich das während meiner Schulzeit allerdings nicht erlebt. So bekommt man am Ende eben auch Leute heraus, die innerhalb von Bahnen und Mustern denken, die über Jahre angelegt wurden. Eine der wichtigsten menschlichen Gaben, die Vorstellungskraft, verkümmert da meiner Meinung nach.

Bin da ganz deiner Meinung. Sehe das seit Jahren ebenso. Bin auch der Meinung, dass wir (Deutschland) da nicht mit dem drehen an einigen Stellschrauben etwas bewirken können. Da muss eine ausführliche Reform her, die ganz neue Wege geht. Ähnlich wie dem von dir geforderten Verlassen der üblichen Denkweisen.

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1071 am: 26.September 2017, 13:57:52 »

@Tremonianer: Danke für deine Ausführungen. :) Dem entnehme ich aber, dass zumindest im Studiengang BWL, alternative Wirtschaftskonzepte, die nicht auf Wachstum setzen, nicht wirklich behandelt werden. Das ist bedenklich, andererseits auch Ausdruck unseres Bildungssystems, meiner Meinung nach (ohne da jetzt ein neues Fass aufmachen zu wollen).

Alternativ käme ein Weltkrieg infrage, damit man eine Basis hat, auf der sich wieder Wachstum generieren lässt.

Oder der Griff nach den Sternen. Wäre mir (innerhalb des Systems betrachtet) lieber. Mir fehlt der Glaube für eine Lösung außerhalb des Systems, vllt. weil es auch schwierig ist innerhalb des Systems außerhalb zu denken.
Ich glaube nicht, dass der Griff nach den Sternen in den kommenden 50 Jahren eine ausreichende Entlastung für die Erde bringen wird und ich glaube auch nicht, dass wir noch 50 Jahre so weiter machen können, wie bisher.

Was das Denken innerhalb und außerhalb des Systems anbelangt: Na gut, mache ich das Fass halt doch auf, in der Hoffnung dich richtig verstanden zu haben. Aktuell ist unser Bildungssystem darauf ausgelegt, vergleichend und gezielt Wissen abzufragen. Wer das gefragte Wissen am besten wiedergibt, bekommt eine 1. Außerhalb der vorgegebenen Bahnen zu denken ist nur möglich, wenn der Lehrer das auch zulässt. Oft habe ich das während meiner Schulzeit allerdings nicht erlebt. So bekommt man am Ende eben auch Leute heraus, die innerhalb von Bahnen und Mustern denken, die über Jahre angelegt wurden. Eine der wichtigsten menschlichen Gaben, die Vorstellungskraft, verkümmert da meiner Meinung nach. An dieser Stelle als Disclaimer: Ich möchte damit keinesfalls die Lehrer angreifen, im Gegenteil, ich ziehe meinen Hut vor jedem, der diesen Beruf ausübt. Ich denke nur, man müsste Bildung und den Erwerb von Wissen offener gestalten (sprich mehrere Pfade ermöglichen), um wieder mehr Kreativität zu fördern. Dazu gehört meines Erachtens die Förderung alternativer Bildungskonzepte und die Einführung einer Bildungs- statt einer Schulpflicht, wie es in vielen Ländern der Fall ist. Damit würde den individuellen Bedürfnissen der Kinder mehr Rechnung getragen werden. Aber eigentlich wollte ich gar keine Bildungsdiskussion lostreten, wenngleich das spannend werden dürfte, sondern nur meine allgemeine Beobachtung zur "Systemfrage" teilen. ::) ;D

Nun ja, man muss aber auch berücksichtigen, dass eine Gesellschaft ohne Normen/kleinste, gemeinsame Nenner nicht existieren kann. Insofern bewegt sich auch unser Bildungssystem innerhalb gewisser Normen und in Deutschland; zumindest war es zu meiner Zeit so, ist das Bildungssystem vergleichsweise schon sehr individualfördernd. An den Fakultäten kann man dann ja in breitere Spektren vorstoßen. BWL ist z.B. nicht das gleiche wie Wirtschaftswissenschaft und beschränkt sich größtenteils auf mikroökonomische Betrachtungen. Themen wie Postwachstums (-kapitalismus)-theorie haben ihren Schnittstellenbereich eher in Philosophie bzw. o.g. Wirtschaftswissenschaft.
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1072 am: 26.September 2017, 14:28:47 »

Ich hatte unter Wirtschaftswissenschaften VWL und BWL subsumiert. Sorry, wenn das undeutlich bzw. nicht korrekt ausgedrückt war. ;)

Ja, ein Gesellschaft braucht einen kleinsten gemeinsamen Nenner. In unserem Fall wären das die Werte, die im Grundgesetz festgelegt sind. Eine umfassende Reform der Bildung spricht da ja keinesfalls dagegen.
Ich nehme unser Bildungssystem eben nicht als individualfördernd wahr. In meinen Augen geht es nicht darum, die individuellen Stärken und Interessen der Kinder zu stärken und deren angeborene Neugierde zu unterstützen, sondern darum, vorgegebene Wissensstapel in den Kindern abzuladen, damit am Ende alle möglichst gleich sind. Das hat, meiner Meinung nach, auch viel mit Kontrolle zu tun, um eben eine (an dieser Stelle völlig unnötige) Normierung vornehmen zu können. Sieht auf dem Papier gut aus, ist in der Praxis aber Quatsch.
Ein Beispiel, wie diese Neugierde abgetötet wird: Eine Schulstunde geht 45 Minuten. Wenn sich ein Schüler aber für, sagen wir mal Geschichte begeistert, ihn das interessiert und er gerade voll im Thema ist dann... kommt nach 45 Minuten der Gong, 5 Minuten Pause und Mathe ist dran. Ich finde sowas fatal und antiquiert.
Ich möchte jetzt keinen Roman schreiben, deshalb versuche ich mich kurz zu halten: In meinen Augen müsste man die Schule, so wie sie jetzt ist, ja nichtmal zwingend abschaffen. Man müsste nur mehr Möglichkeiten schaffen, andere Pfade öffnen und alternative Konzepte auch staatlich (mehr) fördern. Das erfordert ein Stück weit Kontrollabgabe vom Staat, die aber an der Stelle notwendig wäre. Warum soll nicht alles möglich sein, vom heutigen "Standardschüler", über den Montessori-Schüler, bis zum Homeschooling oder gar Freilernen? Ich denke, gerade diese Diversifizierung würde der Gesellschaft gut tun und sie zukunftsfähig machen. An Universitäten könnten dann immer noch Eignungstests durchgeführt werden, wenn einer kein Standard-Abitur hat. Man hat ja mittlerweile schon vielerorts begriffen, dass ein Abiturschnitt nichts über die Eignung eines Schülers für bestimmte Studiengänge oder Berufe aussagt. Eine solche Öffnung wäre jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch wenn ich nicht in allen Punkten mit den beiden mitgehe, finde ich diese Diskussion mit Richard David Precht und Gerald Hüther sehr aufschlussreich, da zumindest viele wichtige Punkte angesprochen werden, über die man mal nachdenken müsste. Wer sich also 45 Minuten Zeit nehmen möchte, dem kann ich das als Einstieg nur empfehlen. :) Schade nur, dass Hüthers 6-Jahre-Prognose sehr wahrscheinlich nicht eintreffen wird.
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Signor Rossi

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1073 am: 26.September 2017, 14:58:35 »

Dass "unser" westlicher Wohlstand nur auf Kosten anderer Kontinente möglich ist, halte ich für nicht konsistent faktisch belegbar, "unsere" Volkswirtschaften wachsen ja nur noch recht gering. Zudem haben die letzten Jahrzehnte eindrucksvoll gezeigt, dass sich Staaten auch außerhalb des Westens prächtig entwickeln können, wie früh Japan und später die Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hong Kong und Singapur), auch China, Indien, Brasilien und Vietnam haben sich gut entwickelt, sogar in Afrika gibt es positive Entwicklungen, fast der gesamte ehemalige Ostblock hat einen großen Sprung nach vorne getan.

Die Grenzen des Wachstums habe ich damals gelesen, fand das eigentlich auch ganz schlüssig, es hat sich aber trotzdem nicht bewahrheitet. Der Planet Erde hat zwar endliche Rohstoffvorkommen, der menschliche Erfindergeist ist aber riesengroß und findet oft eine Lösung und selbst wenn der Menschheit irgendwann mal der momentan wichtigste Rohstoff, das Rohöl, ausgeht, wird das nicht das Ende des Wachstums bedeuten. Und wenn dann irgendwann mal in ferner Zukunft alle Menschen alles haben können, wird es Wachstum geben, dann wird auf den Mond und die andere Planeten expandiert, ein Ende des Wachstums ist mMn. nicht in Sicht.

Die größten Gefahren für einen großen Rückschritt in der Entwicklung sehe ich im Klimawandel und der Überbevölkerung oder in einem thermonuklearen Winter ausgelöst durch einen Atomkrieg wegen Nordkorea oder dem Iran.
« Letzte Änderung: 26.September 2017, 15:00:17 von Signor Rossi »
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Signor Rossi

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1074 am: 26.September 2017, 15:06:27 »

Man kann nicht von Konsumkolonien schwärmen, auf die man sein Wirtschaftsterritorium ausweitet, während der Konsument am anderen Ende stirbt bzw. gar nicht erst den Status eines bilateralen Partners erreicht. Ein Konsument ist ja in erster Linie auch Arbeitnehmer.
Ein Konsument braucht ein so hohes Einkommen, dass er sich die produzierten Waren auch leisten kann, das hat schon Henry Ford erkannt und seine Leute anständig bezahlt. Was spricht denn gegen eine VW-Fabrik in Afrika für den afrikanischen Markt? Nichts.
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1075 am: 26.September 2017, 16:05:47 »

Vor deinem Fortschrittsoptimismus kann ich nur den Hut ziehen, Signor Rossi, denn ich teile diesen nicht. :)

Zum Thema:
Dass "unser" westlicher Wohlstand nur auf Kosten anderer Kontinente möglich ist, halte ich für nicht konsistent faktisch belegbar, "unsere" Volkswirtschaften wachsen ja nur noch recht gering. Zudem haben die letzten Jahrzehnte eindrucksvoll gezeigt, dass sich Staaten auch außerhalb des Westens prächtig entwickeln können, wie früh Japan und später die Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hong Kong und Singapur), auch China, Indien, Brasilien und Vietnam haben sich gut entwickelt, sogar in Afrika gibt es positive Entwicklungen, fast der gesamte ehemalige Ostblock hat einen großen Sprung nach vorne getan.
Ich interpretiere deine Aussage mal so, dass du nicht verneinst, dass unser jetziger Wohlstand (nicht unwesentlich) auf Kosten anderer Weltregionen geht, sondern, dass du grundsätzlich eine Möglichkeit siehst, das Wachstum und Wohlstand nicht grundsätzlich auf Kosten anderer gehen müssen. Ist das soweit korrekt?
In der Annahme, ich verstehe dich richtig: Das bedürfte eines massiven Umdenkens unserer Wirtschaftsweise. Im Moment ist es doch so, dass Europa (um mal bei uns zu bleiben) beispielsweise den afrikanischen Markt mit Produkten flutet, und das zu preisen, mit denen die lokalen Anbieter nicht konkurrieren können. Umgekehrt erhebt Europa Schutzzölle gegen afrikanische Produkte (Stichwort: einseitige Handelsabkommen) - da ist mit einem Wachstum, das auch der dortigen Bevölkerung zugute kommt, nicht vereinbar.

Die Grenzen des Wachstums habe ich damals gelesen, fand das eigentlich auch ganz schlüssig, es hat sich aber trotzdem nicht bewahrheitet. Der Planet Erde hat zwar endliche Rohstoffvorkommen, der menschliche Erfindergeist ist aber riesengroß und findet oft eine Lösung und selbst wenn der Menschheit irgendwann mal der momentan wichtigste Rohstoff, das Rohöl, ausgeht, wird das nicht das Ende des Wachstums bedeuten. Und wenn dann irgendwann mal in ferner Zukunft alle Menschen alles haben können, wird es Wachstum geben, dann wird auf den Mond und die andere Planeten expandiert, ein Ende des Wachstums ist mMn. nicht in Sicht.
Das Argument bzgl. des Meadows-Berichts läuft doch ins Leere, oder nicht? Die Szenarien, die damals entwickelt wurden, wurden aufgrund der damals möglichen Prognosemodelle, sowie des damals verfügbaren Wissen erstellt. Nur weil diese nicht eingetroffen sind, macht es die Argumentation insgesamt nicht unschlüssig, das heißt nur, dass die Modelle nicht genau genug waren (und vermutlich auch nie sein werden). Man kann eben nicht alles in Nullen und Einsen ausdrücken und erwarten, dass man präzise Vorhersagen erhält.

Der menschliche Erfindergeist mag viele Herausforderungen bewältigen können, aber am Ende bleibt das ein Wettlauf mit der Zeit und damit ein hochriskantes Spiel. Sollten extraterrestrische oder alternative irdische Ressourcen nicht rechtzeitig erschlossen werden können, dann gibt das eine Katastrophe. Daher gebietet es alleine schon die Verantwortung und Vernunft, auf Basis unseres jetzigen Wissens, verantwortungsvoller mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Daher sollten wir, meiner Meinung nach, unsere Wirtschaft danach ausrichten, die vorhandenen, bekannten Ressourcen noch möglichst lange und nachhaltig nutzen zu können. Eine wachstumsorientierte Wirtschaft wird da früher oder später an ihre Grenzen stoßen. An vielen Stellen pfeift die Biosphäre ja jetzt schon aus dem letzten Loch, es geht da schließlich auch um Umweltfragen, nicht nur um den Klimawandel, auf den leider zu viel reduziert wird.

Es geht ja nicht nur um Ressourcen wie Erdöl, dass man in vielerlei Hinsicht auf absehbare Zeit ersetzen können wird (Energie, Mobilität). Die vielzitierten Seltenen Erden halten auch nicht ewig und noch viel bedrohlicher erscheint mir, die Abnahme der irdischen Phosphorvorkommen, ohne die eine Ernährung von über 7 Milliarden Menschen gar nicht möglich wäre. Da ist auch absehbar, dass es nicht ewig reichen wird. Insofern bin ich bei dir, Überbevölkerung könnte sich zu einem sehr bedrohlichen Szenario entwickeln.

Wobei sich das Problem lösen lassen würde. Nur mal ein paar Zahlen zum Umgang mit Lebensmitteln:
Von den 4 Milliarden Tonnen Lebensmitteln, die weltweit jedes Jahr produziert werden, werden über 1,3 Milliarden Tonnen verschwendet. In den Industriestaaten bestehen ca. 40% der Nahrungsmittelverluste aus genießbaren Lebensmitteln. Weltweit werden über 90% der Sojaernte und mehr als 50% der Getreideernte für Tierfutter genutzt- um ein Kilo Fleisch herzustellen, werden zwischen 3-12kg Lebensmittel verbraucht. Zumindest das Nahrungsmittelproblem ließe sich, fürs Erste, durch eine sinnvollere Verteilung in den Griff bekommen.
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1076 am: 26.September 2017, 16:11:22 »

Man kann nicht von Konsumkolonien schwärmen, auf die man sein Wirtschaftsterritorium ausweitet, während der Konsument am anderen Ende stirbt bzw. gar nicht erst den Status eines bilateralen Partners erreicht. Ein Konsument ist ja in erster Linie auch Arbeitnehmer.
Ein Konsument braucht ein so hohes Einkommen, dass er sich die produzierten Waren auch leisten kann, das hat schon Henry Ford erkannt und seine Leute anständig bezahlt. Was spricht denn gegen eine VW-Fabrik in Afrika für den afrikanischen Markt? Nichts.

In erster Linie brauchen die afrikanischen Staaten erst mal entwickelte, stabile Volkswirtschaften und möglichst demokratische  Strukturen, was in Anbetracht der klimatischen Veränderungen ein Wettlauf gegen die Zeit ist. Allein hier ist schon ein Interessenskonflikt mit Exportunternehmen gegeben. Lassen wir mal entwickelte Länder wie bspw. Angola, Nigeria und Südafrika (ist glaube ich schon VW-Standort) außen vor; zieht man heute ein VW Unternehmen in einem afrikanischen Entwicklungsland hoch, produziert es fast ausschließlich für den Export. Als Folge hätte VW in seinen anderen Standorten wiederum Stellenabbau und eine Verschlechterung der Binnenwirtschaft. Ich vertrete auch die Ansicht, dass es mittelfristig noch Wachstum geben kann, allerdings nicht unter marktfundamentalistischen, quantitativen Standpunkten.
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"Ein Fan hat mir erzählt, wie sehr er mich für meinen Schuss verflucht hat. »So ein Idiot, wie kann der aus dieser Situation aufs Tor schießen«, hat er gewütet und sich abwinkend weggedreht. Wenige Sekunden später brach der Jubel los und seine Freunde und er lagen quer übereinander."L.Ricken

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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1077 am: 26.September 2017, 16:46:14 »

Dass "unser" westlicher Wohlstand nur auf Kosten anderer Kontinente möglich ist, halte ich für nicht konsistent faktisch belegbar, "unsere" Volkswirtschaften wachsen ja nur noch recht gering. Zudem haben die letzten Jahrzehnte eindrucksvoll gezeigt, dass sich Staaten auch außerhalb des Westens prächtig entwickeln können, wie früh Japan und später die Tigerstaaten (Südkorea, Taiwan, Hong Kong und Singapur), auch China, Indien, Brasilien und Vietnam haben sich gut entwickelt, sogar in Afrika gibt es positive Entwicklungen, fast der gesamte ehemalige Ostblock hat einen großen Sprung nach vorne getan.

Die Ausgangssituation war allerdings auch eine andere. Diese Staaten konnten noch aus ihrer volkswirtschaftlichen Schutzzone heraus ihre eigenen Binnenmärkte und ungesättigte Marktstrukturen erschließen. Heutzutage ist man entweder Teilnehmer im Globalen Handel oder man ist raus.
Speziell Brasilien, China und die U.S.A. sind Paradebeispiele für, wie der Wachstumsgedanke ein Land zersetzen kann; keineswegs positiv, wenn du mich fragst.

Edit: Ich teile im Übrigen Bluesnakes Ansichten insofern, dass wir heute noch das Privileg genießen, aus unserer Komfortzone heraus den Niedergang der westlichen Kultur diskutieren bzw. erforschen zu dürfen. In 20, 30, vielleicht 50 Jahren befürchte ich eine derartige Ohnmacht angesichts des bevorstehenden ökologischen Supergaus, dass nachhaltige Visionen, selbst auferlegte Ideale wie z.B. die Genfer Konvention völlig irrelevant werden. Das wird dann wohl auch der point of no return sein. Die ersten Instinktwähler haben wir ja schon und, was hier als Flüchtlings-"krise" artikuliert wird, war erst ein seichtes Vorbeben zu dem was uns noch bevorsteht. Ich würde mir natürlich wünschen, dass man sich damit arrangiert und einsieht, dass dieser Überfluss, in welchem  wir heute koexistieren, nicht von dauerhaftem Bestand sein kann. Allein der Glaube dazu fehlt mir. Für mich persönlich ist es ärgerlich, dass Politiker immer als Sündenböcke für unsere Habgier herhalten müssen. Dieses Gefühl der Distanziertheit vom politischen Mitbestimmungsprozess ist hausgemacht.
« Letzte Änderung: 26.September 2017, 17:14:13 von Tremonianer »
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1078 am: 26.September 2017, 17:06:26 »

Grundsätzlich können wir auch ohne Afrika (auf begrenzte Zeit) ein kapitalistisches System fahren. Afrika macht es "nur" leichter.

Afrika, selbst wenn wir uns raushalten, hat ein Problem: Kapitalismus ohne halbwegs stabile Strukturen (und seien sie auch korrupt, aber wenigstens verlässlich) ist nicht machbar.

Die Überbevölkerung...siehe "verlorene Söhne und Weltmacht", das Buch. Sehen wir ja jetzt schon in Afrika und im nahen Osten, wie man das "regelt": Wir Europäer können es uns bei 1,4 Kindern halt einfach nicht "leisten", unsere Nachkommen sinnlos zu "verheizen"...ein unterentwickeltes Land mit hoher Geburtenrate muss Wohlstand generieren (wodurch die Geburtenrate empirisch sinkt) und/oder zu diktatorischen Maßnahmen a la China greifen. Die Alternative ansonsten: Krieg.

Insofern sind agrarische Kapazitäten etc. aufrechterhalten durchaus strategische Fragestellungen. Wir können uns auch als Deutschland nicht bei allem auf das Ausland verlassen, siehe russisches Gas für die warme Stube im Winter.
« Letzte Änderung: 26.September 2017, 17:10:30 von BlueSnakeRD »
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Re: Die Qualen mit den Wahlen - Der Politikthread
« Antwort #1079 am: 26.September 2017, 17:25:33 »

Ich hatte unter Wirtschaftswissenschaften VWL und BWL subsumiert. Sorry, wenn das undeutlich bzw. nicht korrekt ausgedrückt war. ;)

Ja, ein Gesellschaft braucht einen kleinsten gemeinsamen Nenner. In unserem Fall wären das die Werte, die im Grundgesetz festgelegt sind. Eine umfassende Reform der Bildung spricht da ja keinesfalls dagegen.
Ich nehme unser Bildungssystem eben nicht als individualfördernd wahr. In meinen Augen geht es nicht darum, die individuellen Stärken und Interessen der Kinder zu stärken und deren angeborene Neugierde zu unterstützen, sondern darum, vorgegebene Wissensstapel in den Kindern abzuladen, damit am Ende alle möglichst gleich sind. Das hat, meiner Meinung nach, auch viel mit Kontrolle zu tun, um eben eine (an dieser Stelle völlig unnötige) Normierung vornehmen zu können. Sieht auf dem Papier gut aus, ist in der Praxis aber Quatsch.
Ein Beispiel, wie diese Neugierde abgetötet wird: Eine Schulstunde geht 45 Minuten. Wenn sich ein Schüler aber für, sagen wir mal Geschichte begeistert, ihn das interessiert und er gerade voll im Thema ist dann... kommt nach 45 Minuten der Gong, 5 Minuten Pause und Mathe ist dran. Ich finde sowas fatal und antiquiert.
Ich möchte jetzt keinen Roman schreiben, deshalb versuche ich mich kurz zu halten: In meinen Augen müsste man die Schule, so wie sie jetzt ist, ja nichtmal zwingend abschaffen. Man müsste nur mehr Möglichkeiten schaffen, andere Pfade öffnen und alternative Konzepte auch staatlich (mehr) fördern. Das erfordert ein Stück weit Kontrollabgabe vom Staat, die aber an der Stelle notwendig wäre. Warum soll nicht alles möglich sein, vom heutigen "Standardschüler", über den Montessori-Schüler, bis zum Homeschooling oder gar Freilernen? Ich denke, gerade diese Diversifizierung würde der Gesellschaft gut tun und sie zukunftsfähig machen. An Universitäten könnten dann immer noch Eignungstests durchgeführt werden, wenn einer kein Standard-Abitur hat. Man hat ja mittlerweile schon vielerorts begriffen, dass ein Abiturschnitt nichts über die Eignung eines Schülers für bestimmte Studiengänge oder Berufe aussagt. Eine solche Öffnung wäre jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch wenn ich nicht in allen Punkten mit den beiden mitgehe, finde ich diese Diskussion mit Richard David Precht und Gerald Hüther sehr aufschlussreich, da zumindest viele wichtige Punkte angesprochen werden, über die man mal nachdenken müsste. Wer sich also 45 Minuten Zeit nehmen möchte, dem kann ich das als Einstieg nur empfehlen. :) Schade nur, dass Hüthers 6-Jahre-Prognose sehr wahrscheinlich nicht eintreffen wird.

Wie gesagt, ich halte unser Bildungssystem für relativ individualfördernd und habe auch nicht den Eindruck, dass die Schulabgänger von heute auf irgendeine Art und Weise dogmatisiert sind. Wovon du sprichst, ist sicherlich als Konzept diskutierbar, im Grunde genommen aber purer Luxus. In erster Linie sollte man m.E. erst mal die schulische Infrastruktur auffrischen, bevor man derartige Überlegungen überhaupt erst in Erwägung zieht.
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