Kritik an der Ästhetik einer Nationalmannschaft werde ich eh nie nachvollziehen können. Zwischen Turnieren - ja, da kann man gerne am Rädchen drehen, nivellieren, die Abläufe optimieren. In Testspielen kann man gerne den Rabona, den Übersteiger und den Hackenpass auspacken. Kein Problem. Aber wenn es dann in die KO-Phase geht, dann ist mir doch völlig wurscht, wie meine Nationalmannschaft gewinnt. Als ob eine italienische Mannschaft in den letzten 50 Jahren jemals mitreißenden Fußball gespielt hätte. Standen trotzdem in Endspielen und holten zwei WM-Titel. Da nörgelte auch keiner daheim. Deutschland hat '96 auch keinen dollen Fußball gespielt. Olli Bierhoff wurde trotzdem zum Helden, gefeiert wurde bis in die Puppen. Hauptsache, man gewinnt diese Spiele. Interessiert doch drei Tage später keinen mehr, wie der Sieg dann auf spielerischer Ebene zustande gekommen ist. Jeder Vereinstrainer weiß doch auch, dass man bei solchen Turnieren vor allem individuelle Fähigkeiten beobachten kann. Mannschaftstaktisch kann da doch gar nicht das Optimum zustande kommen. Als Trainer einer großen Nationalmannschaft wirst du ausschließlich an Titeln bzw. den großen Turnieren gemessen. Zwei Jahre schöner Fußball sind doch für die Katz, wenn man dann im Achtelfinale die Biege macht - siehe England.
Ist vor allem auch lustig, da Löw vorher oft nur zaghaft Dinge geändert hat in großen Turnieren. Dann ist man trotz ansehnlicher Spielkultur nie mit dem Titel heimgefahren. Da wurde dann auch genörgelt. Jetzt stellt er sich auf den Gegner ein und man gewinnt mMn verdient - und es wird wieder genörgelt. Ich bin wahrlich kein Fan von Löw, aber es ist doch einfach nur lächerlich, wenn sich da Leute ohne irgendwelche Trainermeriten und teilweise ohne Ahnung hinstellen und den Mann kritisieren, der Deutschland bei 5 (!!) Turnieren hintereinander ins Halbfinale geführt hat. Wenn mans genau nehmen will, könnte man 2006 sogar noch dazurechnen. Taktik hin oder her, das sind KO-Spiele, nicht mal mit Rückspiel. Da immer wieder bis unter die letzten 4 zu kommen, obwohl die Tagesform absolut entscheidend ist, zeugt schon von einem gewissen taktischen Verständnis. Seine Nominierungen finde ich nachwievor merkwürdig, bis hin zu unsinnig. Aber der Erfolg gibt ihm ja Recht. Zumal das mit dem Reagieren im Spiel auch immer so eine Sache ist - man legt sich einen Plan zurecht und überlegt vor dem Spiel, wie sich verschiedene Szenarien darstellen könnten. Vielleicht war Löw sich einfach sicher, dass er nichts ändern musste, weil er der Meinung war dass das so die beste Aufstellung ist. Dafür hat man ja einen Trainer; damit der diese Entscheidungen trifft. Wenn man verliert, kann man ihn ja in der Luft zerreißen. Aber er gewinnt und bricht einen jahrzehntealten Fluch - und die "Experten" kritisieren ihn. Brilliant.