Paris Brunner pokert beim BVB um ein Topgehalt, ohne bisher eine einzige Bundesligaminute gespielt zu haben.
Angeblich war sein Vater bereits in Italien, um einen Wechsel auszuloten, falls der BVB Brunners Forderungen nicht erfüllt.
Der Vorwurf im Raum: "fehlende Vereinstreue/Dankbarkeit".Dazu habe ich mal eine Frage:
Woher soll denn die Identifikation mit dem BVB kommen?
Brunner ist seit Sommer 2020 im Verein.
Wir haben ihn, wie die meisten unserer anderen "Wundertalente" auch, irgendwann in der Teeniezeit von einem anderen Club (in seinem Falle dem VfL Bochum) weggelotst.
Der Vfl hat ihn seinerseits zwei Jahre vorher von RWE weggelotst.
Und auch RWE ist nicht sein Jugendverein...
Es geht wie immer ums Geld, nicht um Identifikation mit einem Verein.
Ausnahmen wie Hector werden immer seltener, weil sowas für die Spieler in den allermeisten Fällen ein eindeutiger finanzieller Nachteil ist.
(Es sei denn, man gehört zu den ca drei Glückspilzen pro Spielergeneration, die beim Traumverein zu kicken anfangen, dort bleiben können und zum Stammspieler werden.)
Fussballspieler ist ein Job wie Investmentbanker, Spitzenmanager, Rennfahrer oder Musikstar:
ein absolutes Haifischbecken, in dem die meisten gnadenlos auf der Strecke bleiben, ohne dass das irgendwen großartig interessiert, an der Spitze völlig überbezahlt, Vorankommen hat hauptsächlich mit Glück ("zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort", "die richtigen Leute kennen" etc) und erst in zweiter Linie mit persönlicher Eignung zu tun, ein ellenlanger Troß von "Putzerfischen" (Beratern, Experten, Transferexperten, Journalisten und und und), die alle mitverdienen wollen und dafür genauso über Leichen gehen .... und nicht zu vergessen, dass die Toptalente dermaßen gepampert und von früh bis spät gebauchpinselt werden, dass sie den ganzen Irrsinn für völlig normal halten, wenn sie (und ihr familiäres Umfeld) nicht aktiv dran bleiben, einen kritischen Blick zu bewahren.
Wenn das familiäre Umfeld dann allerdings auch zunehmend Dollarzeichen in den Augen hat, wirds schwierig. (Ich kanns den Familien allerdings auch nicht verdenken - wer es im Fussball wirklich schafft, sorgt ja nicht selten dafür, dass ganze Familien nie wieder arbeiten müssen. Wie beim Lottogewinn, nur dass die Kohle im Idealfalle 20 Jahre lang monatlich fließt.)
Es wäre absolut weltfremd, in einer solchen Umgebung irgendetwas anderes zu erwarten als den Versuch, die Schäfchen so schnell wie möglich ins Trockene zu bekommen.
Diese Entwicklung weg von einem Sport und hin zu einem ganz normalen kapitalistischen Wirtschaftszweig mit dem Endziel der Profitmaximierung wurde in den letzten Jahrzehnten bewußt von den Entscheidern (Vereins- und Verbandsfunktionäre sowie die Wirtschaftsgrößen in den Vereinsumfeldern) im Fussball vorangetrieben, genau darauf haben sie hingearbeitet - weil es zuerst mal ihnen selbst genützt hat und nützt.
Flapsig gesagt: "wurde so bestellt, wurde so geliefert, wird jetzt gefälligst so gegessen."
Und daher kann ich die Meldung vom Brunner-Poker auch nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen.
Ich hoffe, die Borussia trifft die wirtschaftlich beste Entscheidung.
Und das bedeutet ab einer gewissen Gehaltsforderunghöhe eines Siebzehnjährigen halt auch, "Danke, machs gut." zu sagen und irgendeinem kleineren Verein im Gegenzug das nächste Toptalent wegzukaufen.
Heißt, dass dass ich das gut finde?
Nein, natürlich nicht.
Aber das ist die Realität.
Und Vereinsverbundenheit oder gar -treue hat in dieser Realität keinen (prominenten) Platz mehr.
Sie ist nur noch als temporäres Lippenbekenntnis nützlich.
(Siehe hierzu beispielsweise die sprichwörtliche "Vereinsbettwäsche".)
Die einzigen, die der Treue zum Verein noch einen echten Wert beimessen, sind die Fans.
Vereine agieren als ganz normale Wirtschaftsunternehmen, inklusive Markenimage und Werbesprüchen.
Nun würden sich allerdings die allerwenigsten Menschen als Fans von (nur als Beispiel) Lidl bezeichnen und Schals mit deren Emblem mehrfach wöchentlich durch die Innenstädte tragen.
Wird aber womöglich Zeit, dass wir die Fussballvereine behandeln wie Lidl:
Wir gehen hin, wenns was gibt, was uns gefällt oder was wir haben wollen - aber wir hängen unser Herzblut nicht mehr dran, stellen uns die Wohnung nicht mit Lidl-Merchandise und richten vor allem nicht unseren Lebensrhythmus nach Lidl aus (indem wir besipielsweise samstags ab 15:30 zwei Stunden Lidl-Fanchoreographien vor der Filiale aufführen).