Wenn mensch den Text der 3. Strophe autonom betrachtet, ist sicherlich nichts anrüchiges an ihm zu finden. Nur halte ich so eine Betrachtung für fragwürdig. Wo bleibt die Intention des Autors? Die Hintergründe, in deren Eindruck der Text geschrieben wurde? All das auszublenden halte ich für fragwürdig, wenn es um soetwas "Wichtiges" wie die Hymne eines Nationalstaates geht, die auch immer einen repräsentativen Zweck erfüllt.
Wenn Liedtexte autonom Wort für Wort betrachtet werden, dann muss auch das ein oder andere nationalsozialistische Kampflied geläutert werden, insofern es nicht unverhohlen mit Gewalt und Menschenhass operiert. Bei all der angeblichen Abgrenzung vom Nationalsozialismus verstehe ich nicht, wie gerade die Nationalhymne im Kern das gleiche Lied geblieben ist und lediglich von der 1. zur 3. Strophe geändert wurde. Das Horst-Wessel-Lied hat auch Passagen, die patriotisch und nationalistisch sind und dabei überhaupt nicht menschenverachtend anmuten. Trotzdem ist es aus gutem Grund noch heute in Hinblick auf Anwendung des §86a StGB verboten.
Ich bin ja auch nicht dafür, das Lied zu verbieten. Das bin ich nichtmal beim Horst-Wessels-Lied. Nur stelle ich seine Eignung als Nationalhymne für ein Land, das eine unrühmliche Geschichte mit Antisemitismus und zügellosem Nationalismus hat, in Frage. Für die DDR wurde ja auch eine neue Hymne komponiert, das wäre für die BRD auch nicht so schwierig gewesen.
Und dass in der Schule viel zu Hofmann von Fallersleben unterrichtet wird, ziehe ich aufgrund meiner Erfahrungen bei Tutorien und Seminaren in Zweifel, wenn ich das Thema mal anspreche. Oder wer wusste hier von von Fallerslebens antisemitischen und antifranzösischen Eskapaden?
Offenbar hat aber weder Israel, noch Frankreich etwas gegen die Nationalhymne einzuwenden, wodurch meine Bedenken rein theoretischer Natur sind.