Gestern haben wir The Northman gesehen. Der Film wurde im Nachhinein sehr kontrovers bewertet. Einige meiner Kollegen fanden ihn nur schwer erträglich wegen der ihrer Meinung nach zu flachen Story und den teils drastischen Gewaltdarstellungen. Ihnen war das zu stumpf und das Grunzen des Protagonisten fanden sie zu aufgesetzt. Ich befand mich mit meiner Meinung dagegen auf der anderen Seite des Spektrums und fand es toll, einen solchen Film im Kino gesehen zu haben. Ich muss wohl gar nichts in den Spoiler packen, da die grundsätzliche Geschichte einerseits im Trailer bereits angedeutet wird (Wikingerkind sieht, wie sein königlicher Vater von dessen Bruder ermordet wird und schwört blutige Rache, die er dann nach Jahren im Exil einlösen will) und andererseits der Name des Protagonisten, Amleth, klar macht, dass die Geschichte ganz eng in Verbindung mit dem Shakespeare-Klassiker Hamlet steht, der ja eben auf diesem dänischen Mythos Amlethus beruht.
Was ihr unbedingt vor dem Schauen wissen müsst: Der Film ist kein klassischer Actionfilm. Wenn ihr also Gladiator erwartet, dann werdet ihr zum Teil enttäuscht sein. Die mythologischen Elemente nehmen einen nicht unbedeutenden Teil des Films ein. Auch sympathisch wirkt keiner von den Charakteren. Es gibt einige Kampfszenen, diese sind aber richtig dreckig inszeniert. Womit kann man den Film am ehesten vergleichen? Wenn ihr die Serie Vikings mochtet, dann werdet ihr zumindest von der Gewaltdarstellung und der mythologischen Komponente nicht überrascht sein. Handlungsmäßig verweise ich auf den bereits angesprochenen Hamlet und den Grafen von Monte Christo.
Warum fällt mein Fazit positiv aus? Ich kannte den Regisseur Robert Eggers vorher nicht, aber jetzt habe ich Lust, seine anderen Filme anzusehen, die zumindest bei Kritikern große Begeisterung ausgelöst haben. Der Film ist bildgewaltig und mit einem klasse Score unterlegt, das hat mich von Anfang an gefesselt. Außerdem wird die Brutalität zu Beginn des 10. Jahrhunderts hervorragend dargestellt. Nein, das ist überhaupt nicht unsere Lebenswelt und das soll sie auch gar nicht sein. Auch ist die Motivation von Amleth nur schwer zu vergleichen mit heutigen persönlichen Zielen, aber mich hat das gefesselt. Der nordische Sagenmythos ist hier wirklich gut zum Leben erweckt worden, Björk war als Wahrsagerin in einer kleinen Nebenrolle zu sehen. Waren meine Kollegen von der Gewaltdarstellung teils angewidert, fand ich die Bildsprache in diesem Fall großartig. So hat sich das Mittelalter nun einmal angefühlt für deren Bewohner. Es ist kein Splatterfilm, keine Sorge, aber wer einen unruhigen Magen hat, sollte bei manchen Szenen besser nicht zu genau hinschauen.
Alexander Skarsgard hat als Amleth definitiv überzeugt, seine manische Rachsucht hat er in jeder Minute des Films überzeugend dargestellt. Willem Defoe als Narr war großartig. Auch Anya Taylor-Joy (bekannt aus dem Damengambit) wusste als russische Seherin zu überzeugen. Weniger überzeugend fand ich Nicole Kidman, bei der die Nahaufnahmen den Fluch zahlreicher Schönheitsoperationen offenbart haben und die wir unisono als sehr monothematisch empfunden haben, d.h. dass sie als Königin Gudrun genau eine Emotion gezeigt hat... den gesamten Film über.
Wie bei The Last Duel hat der Trailer mich irregeführt und ich bin mit anderen Erwartungen ins Kino gegangen, aber wie damals hat der Film mich fasziniert, auch wenn diesmal aus anderen Gründen.
Fazit: Ich würde dem Film 8 von 10 Punkten geben. Abzüge gibt es wegen der etwas vorhersehbaren Gesamtstory und der ziemlich anstrengenden Nicole Kidman.