Hier geht es aber auch unheimlich unsachlich zu. Erstens geht es nicht darum, was letztendlich passiert ist. Kein Berliner wurde verletzt, das steht außer Frage. Es geht einfach um den Umstand, dass nach diesem Platzsturm kein vernünftiges Spielen mehr möglich war. Wenn eine große Menschenmasse, die alle andere Trikots und Farben tragen als du, auf einmal auf dich zugerannt kommst, dann macht das schon einen gewissen Eindruck. Natürlich wird da auch Angst ausgelöst. Und natürlich ist es ein großer Nachteil für dich, dass wenn du noch ein Tor schießen musst du genau weißt, dass die gegnerischen Fans niemand unter Kontrolle hat und die innerhalb von 5 Sekunden von allen Seiten den Platz umschwärmen können. Wenn ihr denkt, dass das, was da gerade in der Verhandlung erzählt wird, dick aufgetragen oder vorher zurecht gelegt wurde (von Anwälten) dann kennt ihr reguläre Gerichtsprozesse nur aus dem Fernsehen. Die Aussagen sind wichtig und es geht um eine ganze Menge bei diesem Prozess. Da wird kein Hertha-Spieler sagen "Naja, da kamen halt die ganzen Fans, aber ich denke, die wollten nur feiern, war etwas blöd für mich, weil ich 10 Minuten warten musste, aber letztendlich kann ich sie auch verstehen". Ich glaube aber nicht, dass irgendein Hertha-Spieler lügt, wenn er sagt, dass er Angst gehabt hat. Niemand weiß, wer bei so einem Platzsturm dabei ist, es reichen ja schon 10 Vollidioten von 1000 Stürmern.
Zu diesem lustigen Leserbrief des "Anwaltes":
also wer "bürgerkriegsähnlich" groß schreibt und Interpunktionsfehler in beeindruckender Variation begeht, schreibt entweder den Brief in emotionaler Aufgewühltheit oder ist keine große Leuchte. Anwälte schreiben höchst selten Briefe in emotionaler Aufgewühltheit und wenn, dann sind es auch nur die schlechten. Auch dieser herablassende Ton, sich als "Organ der Rechtspflege" zu titulieren und dem Journalisten an 3 Stellen zu einer tieferen Recherche zu raten, mag es berechtigt sein oder nicht (in meinen Augen ist es dies), aber der freut sich da wie ein Kind drüber, dass er was wusste und der Redakteur vielleicht nicht.
Aber der Schreibling ist nie und nimmer ein Anwalt.
Das kann nicht Ihr Ernst sein. Eine Strafbarkeit wegen Unterlassens gibt es nur und ausschließlich in dem äußerst eingeschränkten Bereich der unterlassenen Hilfeleistung. Und ohne hier einen Exkurs starten zu wollen, Fußballfans, die einfach daneben stehen, machen sich ganz sicher nicht strafbar.
Das ist natürlich totaler Blödsinn. Neben der unterlassenen Hilfeleistung (§323c StGB), die ein echtes Unterlassungsdelikt darstellt, gibt es natürlich noch den §138StGB, die Nichtanzeige geplanter Straftaten. Soviel zu den echten Unterlassungsdelikten. ABER, Unterlassung kann in quasi jeder Beziehung zur Strafbarkeit führen, da das Unterlassen mit dem Begehen gleichgesetzt werden kann (§13 StGB: Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.)
Ein Beispiel: Ich, als ausgebildeter Eisenbahningenieur, stehe vor einer Weiche und sehe, dass sie so eingestellt ist, dass der herannahende Zug das Gleis nimmt, auf dem bereits ein anderer Zug wartet. Ich weiß, wie ich die Weiche umstellen muss, tue es aber nicht. Der Zug kracht in den anderen Zug, alle Menschen sterben. Da ich die Weiche vorher nicht umgestellt habe oder den Zug nicht führe, trifft mich eigentlich keine Schuld. Da ich habe nicht gehandelt habe (unterlassen), obwohl es mir zumutbar und möglich gewesen wäre, die Weiche umzustellen und das Unglück zu vermeiden, werde ich vor dem Gesetz so behandelt, wie ein Täter. Ich werde also wegen Totschlages angeklagt. Wenn ich jetzt zusätzlich nach dem Unglück auch noch sehe, wie Menschen aus den Wrackteilen hervorkriechen, schwer verletzt sind und um Hilfe schreien und ich einfach stehen bleibe oder weggehe, dann habe ich mich
zusätzlich noch unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht. Aber das ist das geringere Delikt.
Das Unterlassen kann mit fast jedem Straftatbestand kombiniert werden. Es gibt auch Sachbeschädigung durch Unterlassen. Aber nein, Fußballfans, die neben einer bengaloschwenkenden Person stehen, machen sich in der Tat nicht zwangsläufig strafbar (wenn sie Polizisten sind, auch außer Dienst, dann allerdings durchaus). Trotzdem ist der Schreiber des Briefes kein Anwalt, da gebe ich Brief und Siegel drauf...obwohl...es gibt natürlich auch Anwälte bei denen die Frage berechtigt ist, wie die jemals ein Studium abschließen konnten. Jedenfalls ist das Wissen über Unterlassung Pflichtstoff für das 2. Semester für jeden Jurastudenten.