In welcher Form erwartest du denn eine kritische Berichterstattung?
In einer Form, in der das Ganze nicht als die schöne, bunte Party gezeichnet wird, die es erwiesenermaßen nicht ist. Das "an die eigene Nase fassen" gehört damit dazu. Ein paar Äußerungen Beckenbauers zu den Arbeitsbedingungen waren unter aller Kanone -- und die deutschen Unternehmen sowie lobby, äh, demokratische Regierungen, die sich auf die Spielchen einlassen, gehören auch dazu. Es ging mir hier zuletzt erst mal um die 11 Freunde, die sonst immer bei so was dabei sind, zumindest ein wenig. IN so ein WM-Sonderheft, genau wie allen anderen Medien zum Ereignis, gehört vor allem der Sport. Wenn es aber nur der Sport ist, und das dann auch so unreflektiert, tue ich mich damit mittlerweile etwas schwer. Gerade weil ich Fan des (Fußball)sports bin, so widersprüchlich das klingt. Einerseits große RB-Leipzig-"Plastikclub"-Titelstorys bringen (ob polemisch oder nicht) und dann ein paar Wochen später die WM abjazzen passt nicht zusammen. Das heißt, irgendwie ein bisschen schon, denn anders als RB Leipzig ist die WM eine Marke aus der "guten alten Zeit", ein Ereignis, ausgeladen mit Kindheitserinnerungen an Panini-Sammelbildchen, Tänzchen von Roger Milla und Tore von Rudi Völler -- hier greift womöglich auch das, was Thomas Kistner Selbstbetrug oder
Selbstkorruption nennt, womöglich. Dass ARD oder ZDF hier nochmal nachkeulen wie bei Olympia, dürfte auch nicht passieren. Schließlich haben sie eine Menge für die Rechte bezahlt, und dazu zählen auch die Pay-TV-Rechte, die sie jetzt nicht loskriegen, weil sämtliche Spiele im Free-TV laufen und die Exklusivität, die Pay TV mit ausmacht, praktisch nicht gegeben ist. Der Mittelweg machts.
Wie gesagt, es ging mir hier um die 11 Freunde, zuminest teilweise stellvertretend für den echten Kern an Fans mit Sprachrohr, der scheinbar gleichgültig nur noch konsumiert und hingenommen hat, dass auch WM-Fußball eine Ware ist, an der sich eine teilweise kriminelle Minderheit auf Kosten vieler anderen bereichert. Von solchen Medien erwarte ich etwas anderes, und ich glaube, das hatten sie in der Vergangenheit auch schon geleistet.