Genau das ist doch aber der Punkt: Der Kontext wird hier zumindest mitbetrachtet und nun stellt sich die Frage, ob er reicht (das Interview oben bügelt den Kontext aber direkt weg). Es gibt genügend (auch juristische) Stimmen, die der Meinung sind, dass der Kontext ausreicht, weil Böhmermann eben so extrem übertreibt in seinen Beschreibungen, in seinen Beleidigungen, dass man schon viel Phantasie bedarf, das wirklich ernst zu nehmen. Wie gesagt, man kann es immer noch für schlechte Kunst halten, aber so eindeutig als Beleidigung abzutun ist es eben auch nicht. Zumal eben der Kontext nicht nur einfaches Geplänkel darstellt, sondern zum einen deutlich mehr Umfang (rein zeitlich) als das Gedicht selber, während des Gedichtes immer wieder darauf hingewiesen wird, es sich zudem um eine Form von Bildungskontext handelt (nicht an Erdogan gerichtet, sondern an die Medienlandschaft und Gesellschaft, genauer zu differenzieren zwischen Beleidigung, Schmähkritik, Satire, etc.).
Dem entgegen zu halten, man hätte das auch mit weniger drastischen Aussagen schaffen können, geht am inhaltlichen Kern vorbei. Böhmermann nahm nicht nur in Kauf, im Gedicht Grenzen zu überschreiten, er musste das für seine Intention sogar tun: Erst diese Grenzüberschreitung hat die Grenze in der Form sichtbar gemacht. Ihm diese Grenze jetzt nehmen zu wollen, heißt den gesamten Kontext eben gerade nicht verstanden zu haben.