Zu den beiden Diskussionen, also die besagten Leserbriefe und der Meinung Breitners (lustigerweise dürften beide in etwa das gleich niedrige Niveau erreicht haben - aber über den Inhalt lässt sich ja auch qualitativ trotz allem unterhalten):
1. Vorwurf an Guardiola. Ich denke, hier muss man ein wenig differenzieren. Auf der einen Seite kann man sicherlich inhaltlich bestimmte Schachzüge kritisieren. Beispielsweise schienen mir die falschen AV gegen ManUtd sehr sinnvoll, in Spielen gegen Dortmund beispielsweise war das eher suboptimal. Allerdings muss man auch hier wieder schauen, dass Guardiola zum einen eh sehr schnell und effektiv Veränderungen vornimmt oder wieder revidiert, zum anderen die Veränderungen diese Saison zwar radikaler sind, inhaltlich aber wesentlich stringenter scheinen und in ein Gesamtbild von Guardiolas Fußball passen, welches er letzte Saison (u. a. gegen Real) teilweise verlassen hat. Kritik, die hier ansetzt, muss also zumindest darauf eingehen, welche Idee verfolgt wurde und ob diese per se kritikwürdig ist oder nur ihre Umsetzung. Bisher fand ich fast alle Ideen von Guardiola zumindest von der Idee her absolut nachvollziehbar. Manche haben nicht sofort geklappt (Dreierkette), manche nur in bestimmten Spielen (falsche AV), viele aber haben wirklich unglaubliche Auswirkungen und zeigen eine Flexibilität, die es im Weltfußball selten zu bewundern gibt.
Auf der anderen Seite lässt sich natürlich fragen, ob Guardiola die Spieler immer richtig einsetzt. Hier muss wiederum die Taktik und Idee betrachtet werden, dann lässt sich auch ordentlich darüber debattieren, wieso ein Spieler woanders spielt oder spielen sollte. Nur da fehlt es den meisten einfach an Wissen, Interesse, Argumentation, etc. Es gibt unglaublich gute Gründe, wieso beispielsweise Lahm als 6er/8er sehr wichtig ist, wieso Alaba teilweise LIV spielen sollte, wieso Martinez gegen Dortmund OM spielte, etc. Kritik könnte auch hier sinnvoll geübt werden, nur bis auf die Ebene gerät es meist gar nicht. Das mag von oben herab klingen, aber die meisten Kritiken/Meinungen was Taktik und Spielerpositionierungen angeht, kann man in die Tonne kloppen. Weder die Medien noch die meisten Fans können da nämlich inhaltlich auch nur im Ansatz ihre Meinung/These stützen.
2. Breitners Kritik: Keine Frage, der Ton war daneben, die Aussage in der Radikalität auch vom Inhalt her nicht haltbar. Aber bitte bedenkt zwei Dinge. Zum einen den Kontext: Es war eine Replik, die sich im Ton an die Umgebung angepasst hat. Zum anderen der Bezugspunkt: Es ging darum, dass Bayern mit dem Olympiastadion einen Vorteil erhalten hat, den die anderen Vereine nicht hatten. Das ist inhaltlich letztlich aber nicht korrekt. Weder hat Bayern das Stadion geschenkt bekommen, auch hier musste Miete gezahlt werden, noch haben andere Vereine diese Vorteile nicht ebenso erhalten. Man darf sich gerne mal darüber informieren, wie das Westfalenstadion finanziert wurde beispielsweise. Hier muss man einfach konstatieren, dass Bayern ihre Möglichkeiten sehr gut genutzt hat, wohingegen andere Vereine ihre Standortvorteile beispielsweise (Hertha, Hamburg, Stuttgart) teils miserabel genutzt haben oder immer noch kaum nutzen. Es geht also bei Breitners Aussage gar nicht mal darum, dass andere Vereine aktuell am Wochenende ihre Pflichtaufgabe nicht erfüllen können, denn selbst die aktuellen Etats von Schalke, Dortmund, Wolfsburg sollten ausreichen, um gegen Köln, Hertha, Paderborn Punkte einzufahren, es geht viel mehr darum, dass die langfristige Arbeit bei einigen Vereinen schlicht miserabel ist. Dortmund macht das seit einigen Jahren sehr gut, hat vorher aber unglaublich schlecht gewirtschaftet, Hamburg macht es Jahr für Jahr vor, wie man auf nahezu allen Ebenen kontraproduktiv agiert, die Hertha kommt erst langsam in sichere und kluge Fahrwasser und ist dabei, einen sehr bodenständigen Kurs einzuschlagen - auf die nächsten 10 Jahre darf man da aber einiges erwarten, wenn man den Kurs beibehält. Natürlich, auch Bayern hat Schwächephasen gehabt und sich nicht optimal entwickelt. Hier muss man aber ganz arg überlegen, welche Seite man gerade unterstützen mag. Wenn ich den Bayern dies vorwerfe, kann ich im Gegenzug nicht Transferpolitik, etc. zur aktuellen Zeit kritisieren. Wobei hier eben auch eine Ebene angesprochen wird, die Breitner meiner Meinung nach in dem Kontext gar nicht meinte: Die kurzfristige Ausrichtung inklusive Transferstrategie. Aber selbst die dürfte im übrigen weder Dortmund aktuell rechtfertigen, noch das, was Jahr für Jahr auf Schalke, in Hamburg, etc. passiert. Vielleicht hätte Breitner statt Bayern einfach Augsburg nennen sollen. Die machen nämlich seit einigen Jahren unglaublich gute Arbeit, wie es auch Mainz tut und teilweise Freiburg. Wenn alle Vereine so arbeiten würden, dann dürfte der Abstand in der Spitze zu Bayern recht bald geringer werden.