Na gut, dann wollen wir mal. Bin auch schon ganz gespannt, auf die weitere Entwicklung und habe natürlich selbst auch etwas im Kopf, wie es weitergehen könnte.

Viel Spaß beim Lesen!

Die Stunden vergingen, ohne das Jack Schlaf finden konnte. Er wälzte sich auf dem Bett hin und her, dass die alten Federn quietschten und knarrten, als seien sie in ein tiefes Gespräch verwickelt. Die Gedanken in seinem Kopf rasten wie wild durcheinander. Er dachte über
ihn nach, über die
Organisation und über den ersten Versuch, eine neue Weltordnung zu schaffen. Ein Versuch, der gescheitert war. Bruce hatte Jack erzählt, wie alles begonnen hatte. Damals, vor vielen, vielen Jahren...
13. Oktober 1928
Mitten über dem Atlantik
LZ127 'Graf Zeppelin' fuhr ruhig und sanft durch die Luft auf seiner ersten Atlantiküberquerung. Es war ein schöner Herbsttag, an dem nur vereinzelte Wolken in feinen, langgezogenen Fetzen den Himmel bedeckten. Unter dem Luftschiff, dem eine glorreiche Zukunft bevorstehen sollte, wogte der Atlantik in einer sanften Dünung. Das tiefblaue Wasser reflektierte blitzend und glitzernd das Sonnenlicht, das an diesem Tag besonders magisch schien.
Ja, es war wieder einer dieser Tage, an denen alles irgendwie zauberhaft wirkte. Einer dieser Tage, wie sie nicht so oft im Leben vorkommen, weil man vergisst, inne zu halten und den Moment zu erleben.
Friedrich Gröning stand am Fenster des Speisesaals und blickte auf den weiten Ozean, während er dem leisen Rattern der Motorgondeln lauschte. Die großen Panoramafenster, die schweren Vorhänge und die holzvertäfelten Wände ließen den Luxus erahnen, der hier, weit oben in der Luft, zum guten Ton gehörte. Die Tische wurden gerade von Kellnern in blütenweißen Hemden und schwarzen Westen gedeckt und für das Abendessen vorbereitet. Hochwertige Porzellanteller und feinstes Silberbesteck fanden sich akkurat drapiert auf edlen Stofftischdecken wieder. Aus der Kombüse, die direkt nebenan war, hörte Friedrich den dicken Koch Anweisungen geben. Dem Geruch nach zu schließen, der in Schwaden aus der auf und zu schwingenden Küchentür heranwehte, würde es heute Abend Wild geben. Friedrich schmunzelte beim Gedanken daran, weit über dem Meer eine Rehkeule oder saftige Wildschweinmedaillons zu verspeisen. Das hatte durchaus Parallelen mit der spätrömischen Dekadenz, welche ein Gutteil zum Untergang des einst mächtigen Imperiums beigetragen hatte. Dieser Vergleich war vielleicht nicht einmal ganz falsch, bedachte man die Pläne, die geschmiedet worden waren.
Friedrich sah auf die Uhr. >Zeit, sich mit Rigby zu treffen.<, dachte er, trat von der schrägen Bordwand zurück und bog in den schmalen Gang ein. Rechts und links führten Türen zu den Kabinen, den Waschräumen und den Toiletten. Friedrich jedoch brauchte die Türen nicht zu zählen, sein Ziel war die letzte auf der rechten Seite, die Kabine direkt hinter der Herrentoilette.
Er sah sich um, ob sich jemand auf dem Gang befand, war beruhigt, als er niemanden sah und klopfte. Dreimal, kurze Pause, zweimal, wie vereinbart. Einen kurzen Moment später öffnete ein untersetzter Mann mittleren Alters die Tür. Über die Ränder seiner winzigen Brillengläser hinweg schaute der Kleine Friedrich an. „Ah, Sie sind es.“, sagte er in einem Deutsch mit starkem, englischen Akzent. „Kommen Sie rein.“
Rigby trat zur Seite, zog seinen dicken Bauch ein und ließ Friedrich passieren. Die Kabine war winzig, wie die meisten an Bord, aber sie bot immerhin den Vorteil der Abgeschiedenheit, da es keine direkt angrenzenden Unterkünfte gab. Sollte jemand auf der Herrentoilette nebenan sein, so würde man das unweigerlich hören und konnte das Gespräch unterbrechen.
Friedrich und Rigby setzten sich nebeneinander auf das Bett. Der Amerikaner mit dem kurzen, borstigen Haar und dem schweinsähnlichen Gesicht wirkte ein wenig nervös. Fast schien es, als schwitze er. Friedrich jedoch wusste, dass der Eindruck täuschte, denn er hatte Rigby erlebt, wenn es ernst wurde. Der Mann war ein absoluter Profi, der eiskalt und skrupellos die Aufträge ausführte, die er direkt von
ihm, dem Boss der
Organisation bekam.
„Ist es nicht ironisch, dass wir weit über dem Erdboden in einem Luftschiff, das die Länder dieser Erde näher aneinander rücken lassen soll, über den Zusammenbruch der Weltordnung konspirieren?“, lächelte Rigby boshaft.
„Wir haben schon längst konspiriert. Ich will nur wissen, ob alles vorbereitet ist.“, sagte Friedrich. Er hielt nichts von belanglosem Geplauder, schon gar nicht mit einem wie Rigby, für den das alles ein Spiel zu sein schien.
„Auf unserer Seite des Ozeans ja. Und bei Ihnen?“, das Lächeln war aus dem Gesicht des Amerikaners verschwunden. Er blickte Friedrich nun vollkommen ausdruckslos an. Nur in seinen Augen blitzte es ganz kurz gefährlich auf. Friedrich wusste aber, dass sich die Miene seines Gegenübers blitzschnell wieder ändern konnte.
„Selbstverständlich, sonst wäre dieses Treffen sinnlos.“
„Vorsicht! Hinterfragen Sie nie seine Anweisungen. Alles, was er tut und sagt, hat einen tieferen Sinn.“, zischte Rigby wütend.
„Schon gut, beruhigen Sie sich. Dann wird alles, wie geplant ablaufen?“
„Ja. Die Weltwirtschaft wird zusammenbrechen, die Systeme, die durch sie am Leben erhalten werden, ebenfalls. Es wird Chaos geben und aus der Asche werden wir wie ein Phönix aufsteigen!“, jetzt wirkte Rigby beinahe wahnsinnig, fast lief ihm der Geifer die Mundwinkel herab. Er fasste sich aber schnell wieder und fuhr kühl damit fort, den genauen Plan noch einmal durchzugehen. Friedrich bejahte, oder verneinte hin und wieder eine Frage Rigbys, oder warf etwas ein, hatte der Amerikaner einmal etwas vergessen, was nur selten vorkam. Am Ende sagte Rigby: „Gut. Wir müssen nur noch ein wenig Geduld haben.“
„Wann ist es soweit?“
„Geduld! Er wird es wissen und er wird uns sagen, wann wir anfangen sollen.“
„Schön, aber wann ist damit zu rechnen?“
„In etwa einem Jahr, schätze ich. Sie werden eine Nachricht erhalten und dann muss alles schnell gehen.“
„Gut.“
„Gröning, wir verlassen uns auf Sie.“, Rigby blickte ernst. Friedrich glaubte in seinen Augen eine unausgesprochene Drohung zu erkennen. Er schluckte schwer: „Ich weiß.“
„Nun gut, dann gehen Sie jetzt.“
Friedrich stand auf, horchte an der Tür, ob jemand auf dem Gang war, vergewisserte sich mit einem kurzen Blick durch den Türspalt und verließ die Kabine. Für die kommenden Tage würden er und Rigby wieder ihr Spiel spielen und so tun, als kannten sie sich nicht. Sie beide würden dann nur noch ganz normale Passagiere sein. Passagiere, die wussten, dass in einem Jahr die Weltwirtschaft in eine Krise geraten würde, aus der sie sich nicht mehr würde erholen können. Der Dekadenz würde ein Ende bereitet werden.
Friedrich konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass nicht alle Rädchen so ineinander greifen würden, wie es gedacht war – dass Fehler gemacht worden waren. Er konnte nicht wissen, dass alles ganz anders kommen würde. Er konnte nicht wissen, dass sein Leben eine dramatische Wendung nehmen würde. Und er konnte nichts von der jungen Frau wissen, die sich kurz bevor Friedrich in den Gang gebogen war, versehentlich in die Herrentoilette verirrt und das ganze Gespräch ungewollt belauscht hatte.