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Autor Thema: Lamentotainment - Einblick in eineinhalb Jahre einer Selbstständigkeit  (Gelesen 8707 mal)

Henningway

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Februar 2020
« Antwort #20 am: 23.April 2020, 11:02:56 »

o   Die neue Apothekerin verschafft mir dringend benötigten Freiraum, aber sie hat Nachteile: so verbreitet sie aus irgendwelchen Gründen einen furchtbar penetranten Geruch, der mich zwingt, sie in das obere Stockwerk zu verfrachten. Mehrere Gespräche mit ihr deswegen verlaufen im Nichts.
o   Maria hat sich von ihrem Freund getrennt, der uns wieder telefonisch terrorisiert. Sie will, dass wir erzählen, sie hätte gekündigt, aber das lehne ich ab. Statt dessen erzählen wir, sie sei in ihrem unbezahlten Urlaub. Alle ziehen mit und der Terror hört auf. Während Maria arbeitet, versorgen wir außerdem ihren Hund. Kolleginnen, die frei haben, kümmern sich einen ganzen Tag um ihn oder ich mache das in der Apotheke.
o   Meine Schwester möchte das Firmenfahrzeug kaufen, was ihr zur Verfügung steht. Sie lebt allerdings 100 Kilometer weg. Weil ich der Post nicht traue, packe ich alle Fahrzeugunterlagen in einen Umschlag und will zu ihr fahren. An dem dafür frei genommenen Tag bläst allerdings Sturm Sabine und wir vereinbaren, das zu verschieben, weil ich kein Risiko eingehen möchte.
o   Ein weiterer Interessent meldet sich für die Einrichtung der Filiale.
o   Aus einer Intention heraus mache ich einen Termin mit einem Insolvenzanwalt zur Beratung. Es besteht keinerlei Anlass dafür, aber mir erscheint das irgendwie als eine gute Idee. Der Termin verläuft hervorragend und beruhigt mich ungemein.
o   Meine Frau übernimmt immer mehr Nachtdienste und die Planung unserer Familie ist damit auf nicht absehbare Zeit vom Tisch. Da ich aber in diesem Jahr 46 werde, schwinden meine Familienträume dahin.
o   Eine kardiologische Untersuchung ergibt zwar Rhythmusstörungen, die aber keinen pathologischen Wert haben. Ich bin also beruhigt.
o   Diverse Abwesenheiten von Mitarbeitern bringen mich wieder in eine 55-Stunden-Woche.
o   Ein zweiter Termin, um zu meiner Schwester zu fahren, platzt, da ein Wintereinbruch über das Land zieht.
o   Meine Frau genießt weiterhin ihre Freizeit und ich leider darunter, mache ihr aber natürlich keine Vorwürfe.
o   Ich erhalte die Bilanz für das Geschäftsjahr 2018 und erneut eine mittlere fünfstellige Steuererstattung. Nachdem die erste Erstattung komplett in die geschlossene Filiale floss, soll diese Erstattung nun endlich den Kauf der Wohnung mitfinanzieren.
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Henningway

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März 2020
« Antwort #21 am: 23.April 2020, 11:03:17 »

o   Die Apothekerin hat unverändert Geruchsprobleme und bleibt leider auch nicht in der oberen Etage. Meine Angestellt erdulden das standhaft, weil es mich eben sehr entlastet.
o   Der letzte Interessent für die Einrichtung sagt zu. Ich bin die Einrichtung endgültig losgeworden!
o   Anfang des Monats sucht mich eine heftige Erkältung heim, die mich sogleich an Corona denken lässt. Die Symptome passen aber nicht, daher keine weiteren Maßnahmen. Leider muss ich daher den dritten Termin bei meiner Schwester absagen, um ihr die Fahrzeugunterlagen zu bringen.
o   Die Coronakrise wirft ihre Schatten voraus. Ich engagiere mich vor Ort kräftig beim Aufbau einer Selbsthilfegruppe, die inzwischen 800 Mitglieder hat. Diverse Zeitungen und sogar der WDR interviewt mich.
o   Da einige meiner Mitarbeiter altersbedingt zur Risikogruppe gehören, setze ich diese ins Überstundenfrei und übernehme deren Schichten. Dazu gehören auch meine Arzneimittelboten.
o   Kurz vor einer halben Tagesschicht – am Nachmittag wollte ich mit meiner Frau etwas unternehmen – meldet sich meine Apothekerin krank ab. Damit werden aus sieben Arbeitsstunden 26 und die Freizeitaktivitäten sind gestrichen.
o   Am nächsten Tag kündigt meine Apothekerin aus gesundheitlichen Gründen. Ich stehe also wieder da, wo ich im Dezember stand. Ich reduziere umgehend die Öffnungsstunden in der Apotheke, aber da ich nahezu alle Schichten selbst übernehme und abends nach Dienstschluss noch Lieferungen ausfahre, komme ich täglich auf 13 Arbeitsstunden an sechs Tagen. Gleichzeitig ist in der Apotheke so unfassbar viel zu tun, dass Büroarbeiten auf die Sonntage verlegt werden. Ich zimmere außerdem einen Plexiglasschutz, ebenfalls sonntags.
o   Diverse Krankheiten bei Mitarbeitern sowie die angeordneten Überstundenausgleiche und Urlaube führen dazu, dass von 17 Mitarbeitern 11 ausfallen. Das veranlasst den national führenden Online-Nachrichtendienst für Apotheken dazu, eine komplette Story über mich und mein Pech zu verfasssen.
o   Das Team arbeitet in der Krise allerdings hervorragend zusammen. Inzwischen bin ich unfassbar dankbar und stolz. Nur Maria findet immer wieder Ausreden, um nicht einspringen zu müssen. Da sie inzwischen wieder mit ihrem Freund zusammen ist – gedankt für das Hundesitting hat sie uns nicht – liegt die Vermutung wegen der Gründe nahe. Am Monatsende erhalte ich schließlich ihre Kündigung – per WhatsApp.
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Henningway

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April 2020
« Antwort #22 am: 23.April 2020, 11:03:40 »

o   Das Märzgeschäft war umwerfend gut, doch nun tritt schlagartig Ernüchterung ein. Es kommt zu Umsatzeinbrüchen von 30 – 50 Prozent.
o   Meine Schwester meldet, dass die Nummernschilder das Fahrzeugs geklaut wurden. Sie benötigt daher nun dringend die Fahrzeugunterlagen. Da ich keine Chance habe, die persönlich zu bringen, verschicke ich sie als Einschreiben.
o   Maria begründet ihre Kündigung damit, dass sie etwas Neues machen möchte. Mitten in der Coronakrise.
o   Der letzte Interessent für die Einrichtung sagt ab, weil die Einrichtung wegen ein paar Zentimetern nicht in seinen Betrieb passt.
o   Die Umsätze sind so stark eingebrochen, dass meine Steuererstattung komplett in die Pufferung fließt. Die Wohnung können wir erneut nicht kaufen.
o   Nach nunmehr drei Wochen ist das Einschreiben mit den Fahrzeugunterlagen unterwegs und damit offenbar verschollen. Da ich drei Mal wegen Mißtrauen gegenüber der Post eine persönliche Übergabe geplant hatte, aber absagen musste, kann ich über das Verschwinden des Briefes nur noch müde lachen.
o   Der dringend benötigte Dänemark-Urlaub ist natürlich abgesagt. Während meine Frau aber zuhause ist und frei hat, arbeite ich in 12-Stunden-Schichten.
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Henningway

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Epilog
« Antwort #23 am: 23.April 2020, 11:04:44 »

Fazit
Ich versuche seit Beginn der ganzen Geschichte – August 2018 – durch wirklich schonungslose Selbstreflexion und Gespräche mit Freunden und Beratern herauszufinden, ob ich diese ganzen Vorkommnisse irgendwie hätte verhindern können. Ich beschäftige drei Berateragenturen, die mich in unterschiedlichen Dingen der Selbstständigkeit begleiten. Eine Beraterin ist eine private Freundin von mir und pflegt eine sehr direkte Beratungsweise, sehr ehrlich und ohne Rücksichtnahme. Sie steht dabei stellvertretend für die Meinung der anderen Agenturen: seit August 2018 begleitet mich ein beängstigendes Pech. Was auch schiefgehen konnte, ist schief gegangen. Entscheidungen, die Fifty Fifty standen, gingen zu 90 % zu meinen Ungunsten aus. Mitarbeiter, die eingestellt wurden, haben sich als größtmöglicher Schaden für den Betrieb entpuppt. Inzwischen verzichtet sie auch auf Floskeln wie „Wird schon wieder besser werden“, weil, wie sie selbst sagt, das irgendwann höhnisch klingt. Mir sind dabei durchaus auch die positiven Ereignisse offenkundig: der Apothekenbetrieb hat sich in der Vor-Corona-Zeit massiv positiv entwickelt; das Team ist inzwischen vollkommen gefestigt und, nach Marias Kündigung, frei von faulen Zankäpfeln; der Standort meiner Apotheke ist hervorragend und wird auch nach Corona nicht zu meinem Nachteil sein.

Kann ich abschließend sagen, dass meine Selbstständigkeit mich glücklich gemacht hat? Stand heute: nein. Ich arbeite doppelt so viel wie als angestellter Apotheke, verdiene aber gleich viel und habe keinen Urlaubsanspruch. Auch trage ich das komplette wirtschaftliche Risiko. Und über allem: eine Familie werden Anna und ich wahrscheinlich nicht mehr gründen. Dem gegenüber steht natürlich die Freiheit, selbst zu entscheiden, welche Strategie hier zu fahren ist.

Ich weiß, dass es den Spruch gibt, Selbstständige arbeiten selbst und ständig. So liest sich meine Geschichte wahrscheinlich auch und ich hätte damit auch kein Problem, hätte ich damals einen komplett neuen Standort eröffnet. Auch habe ich kein Problem mit langen Arbeitszeiten. 55-Wochen-Stunden und weitere zehn Stunden Homeoffice wären kein Problem für mich, solange ich einen freien Tag in der Woche hätte und wenigstens mal zwei Wochen Urlaub machen könnte. Das alles ist aber nicht so und tatsächlich ist es in den vergangenen Jahren immer schlimmer geworden. Ich habe einen bestehenden Betrieb übernommen und diesen inzwischen um fast 40 Prozent wachsen lassen. Ich denke, ich kann damit sagen, dass ich Selbstständigkeit kann. Aber zu welchem Preis? Zu welchem Preis?

An dieser Stelle danke ich Euch für Eure Lektüre und den einen oder anderen guten Gedanken, den Ihr mir wahrschenlich geschickt habt! :)
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Signor Rossi

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Puh, das ist ganz schön harter Tobak, besonders die Undankbarkeit und Illoyalität vieler Mitarbeiter ist wirklich schlimm, da muss man sich wohl vorher ganz besonders gut informieren, ehe man jemand einstellt. Mir scheint auch, dass deine Hilfsbereitschaft oft ausgenutzt wird, weil Fachkräfte für dich nur schwer zu bekommen sind

Der Fehler - wenn es denn einen gab - ist für mich die Filiale. Es ist als Existenzgründer schon schwer genug, einen Laden ans Laufen zu bekommen, mit zwei Betrieben verdoppeln sich die Probleme, mindestens.

Ich drücke dir die Daumen!
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Henningway

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Die Filiale hätte ich auch nie genommen, wäre der Kauf der Hauptapotheke damals nicht daran gekoppelt gewesen. Aber so lange dort die ehemalige Filialleiterin gewirkt hat, war auch dieser Betrieb in einer super Entwicklung. Wahrscheinlich hätte es 2019 ohne die ganzen Veränderungen eine schwarze Null gegeben, was nach dieser Zeit eine super Leistung gewesen wäre.
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White

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Puh, vieles davon kannte ich ja schon, aber im Gesamtbild ist das schon echt heftig.
Mich trifft es ein bisschen persönlich, dass gerade du, den ich als einen sehr hilfsbereiten und "zwischenmenschlich unantastbaren" Menschen kennengelernt habe so vom Pech (und dem - Entschuldigung - arschlochhaften bis ausbeuterischen Verhalten von Mitarbeitern) verfolgt wurdest. Ich wünsche dir, dass sich alles positiv entwickelt und du auch finanziell das aus der Apotheke herausziehen kannst, was du verdienst.

Weiterhin wünsche ich dir - und auch unserer Gesellschaft - dass es mit dem Nachwuchs doch noch klappt. Ich glaube du wärst ein toller Vater und ihr beiden würdet Nachwuchs produzieren, der ein nützliches Mitglied für unsere Gesellschaft werden würde.

Passend zum Thema der Trailer des ausgezeichneten Films Idiocracy: https://www.youtube.com/watch?v=-otdTDo7FTQ
Das ist zwar ein bisschen witzig, aber es ist auch viel wahres dran, umso mehr würde ich mir wünschen, dass ihr euch fortpflanzt :)
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Akumaru

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Kannte einiges davon ja auch schon durch deine Beiträge, aber scheiße. Das ist ... heftig. Ich schreibe es ganz offen und ehrlich: wahrscheinlich hätte ich schon lange aufgegeben. Von daher größten Respekt, daß du durchhältst und weiterhin an den Silberstreifen glaubst.

Wie geht es denn deinem Herzen?

DeDaim

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Puh... zunächst einmal Danke, dass du hier so offen berichtest. Das ist keinesfalls selbstverständlich. Du hast hier zwar immer wieder von einzelnen Episoden berichtet, aber so zusammengefasst liest sich das, mit Verlaub, wie eine verdammte Horrorgeschichte. Dass du nach all den Nackenschlägen immer noch stehst und weiter machst, ist bemerkenswert und spricht für dich. Ich bin da bei Akumaru und hätte wohl schon längst das Handtuch geworfen.

Ich hoffe, du verstehst mich nicht falsch, bei dem was ich jetzt schreibe. Ja, du wurdest von Mitarbeiter*innen, die dir viel zu verdanken haben, hintergangen, und du hattest so viel Pech, dass es nicht zum aushalten ist. Aber vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, die eigenen Prioritäten zu überdenken bzw. neu zu setzen? Auch wenn du hier sehr ausführlich berichtet hast und ich dich über viele Jahre hier im Forum erleben durfte (und sehr für deine Art schätze), weiß ich natürlich zu wenig darüber, wie du tickst und was dir wichtig ist. Deswegen empfinde es bitte nicht als Anmaßung von mir, diese Frage zu stellen. Ich kann einfach nur aus meiner Perspektive sagen - und das ist meine ganz persönliche Meinung - kein Job der Welt ist es wert, das private Glück und die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen.

Und auch das einfach als Frage: Wie wäre es, wenn du dir eine Liste machst, mit Bedingungen, die zu einem bestimmten Zeitpunk (1/2 Jahr, 1 Jahr, was auch immer du als richtig erachtest) erfüllt sein müssen, beruflich und privat (insbesondere Freizeit)? Sind die Bedingungen erfüllt: super! Sind sie es nicht: Schlussstrich hinter die Selbstständigkeit ziehen. Wer weiß, vielleicht bin ich da auch zu naiv? Ich habe bei deiner Erzählung jedenfalls sehr mitgelitten und hatte teilweise Tränen in den Augen, sodass ich dir einfach meine Gedanken hierzu mitteilen wollte. Ich hoffe, das ist okay. :)

Für die Zukunft wünsche ich dir alles Gute, sowohl beruflich als auch privat. Pass auf dich auf!
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So long, and thanks for all the fish

Der Baske

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Heftig Henning.
Wirklich heftig. Man kann sich das nicht mal ausdenken.
Besonders Katharina hat mich mächtig genervt. Denke die Probleme mit ihrem Freund kommen nicht von ungefähr. Sie vermittelt mir den Eindruck einer Prinzessin auf der Erbse.
Generell habe ich jedoch einen Verdacht bei dir, der vielschichtig ist.
Der Rest per PN.

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Botschafter des Quan!
MTF U20 Weltmeister 2011 + MTF AfricaCup Sieger 2011
No Social Media & No Laubbläser
'A sports called football but it's mainly played by hands, sorry but i don't get it.

Leland Gaunt

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Wow!
Der Mensch an sich ist einfach Dreck, es gibt nur ganz wenige verantwortungsbewusste, ehrliche und loyale Menschen, das bestätigt sich wieder zu 100%.
Du bist einfach zu nett, fürsorglich und bemüht, es deinen MA gut zu machen.
Sorry, wenn ich das so schreibe, möchte ja nicht noch drauf hauen, aber ich glaube, du verstehst was ich meine.

Ich kann vieles von dem was du geschrieben hast nachempfinden, einige Situationen mit MA kommen mir aus meinem Berufsleben bekannt vor, oder zumindest das Verhalten,
aber ich weiß mittlerweile, das nichts über das eigene familiäre Wohlempfinden und die Gesundheit geht.
Auch wenn wir uns nur von hier kennen, immerhin aber schon ein paar Tage, pass auf dich, deine Gesundheit und deine Ehe auf.

Besser ein Ende mit Schrecken...
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FMGaunt

Das magische Dreieck 2.0

Immer schön GErade bleiben!

wrdlbrmft

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Hey, ich bin mit 49 noch Vater geworden! Das schaffst du auch!

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der vfb spielt im neckarstadion!

Henningway

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Vielen Dank für Eure aufmunternden und bestätigenden Worte. Der Gedanke, einfach alles abzugeben und etwas anderes zu machen oder wieder in ein Angestelltenverhältnis zu wechseln, ist natürlich naheliegend. Das Problem: wenn Du Geschäfte dieser Größenordnung übernimmst, ist das kreditfinanziert mit Laufzeiten bis zu 15 Jahren. Da ich in meinem vierten Jahr bin, ist die Restkreditsumme noch so hoch, dass ein Verkauf diese nicht tilgen würde. Ich bin also in einer Tretmühle gefangen.
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Octavianus

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Lieber Henning, ich habe nun auch die Zeit gefunden, mir deine Geschichte durchzulesen und ich habe ja schon einige Episoden mitbekommen, die du an anderer Stelle erwähnt hattest. Ich war zum Teil sprachlos über die Illoyalität mancher Mitarbeiter, vor allem, wenn man dein Entgegenkommen in vielen Fällen betrachtet. Wahnsinn, wie wenig diese Menschen Rücksicht walten lassen und mit welcher Respektlosigkeit sie dich dann behandelten. Ich hoffe wirklich, dass du nun die schlimmsten Kandidaten losgeworden bist und hoffe, dass du trotz Corona-Krise Hoffnung schöpfen kannst. Auch wenn die vielen Misserfolge schmerzen, hast du dadurch womöglich wichtige Erfahrungen machen können, die du bei Neueinstellungen oder beim Umgang mit Mitarbeitern anwenden kannst.

Zwar soll man sich als Außenstehender keine Ferndiagnose erlauben, ich denke aber, dass die Selbstständigkeit nach wie vor der richtige Schritt war - trotz aller negativen Erfahrungen. Und in puncto Familienplanung kann ich nur hoffen, dass du und Anna doch noch mehr Zeit findet, um dies in die Wege zu leiten. Ich denke, wenn ich mir als Unbeteiligter einen Rat erlauben darf, dann der, dass du dir trotz aller Hingabe für deine Arbeit um jeden Preis freie Zeit verschaffen solltest, damit du ein Stück weit dein persönliches Glück erleben kannst, denn das hast du dir redlich verdient und es steht dir zu.

Und wenn es Möglichkeiten gibt, wie wir als Community dich unterstützen können, dann machen wir das gerne. Zwar lebe ich alles andere als in der Nähe Remscheids, aber da lässt sich sicherlich etwas machen. :)

Henning, bleib trotzdem weiterhin so positiv und menschenfreundlich, wie du bist! Du machst die Welt zu einem besseren Ort - sogar für diejenigen, die diesen Ort vielleicht nicht verdient haben.
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Ständig im Einsatz für einen besseren FM und für ein tolles Forum :)

Du hast FRAGEN? Hier gibt es ANTWORTEN rund um den FM!

DeDaim

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Das verstehe ich, Henning. Diese Zwangslage muss frustrierend sein, dazu kommt ja auch noch die Verantwortung für deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Soweit ich das verstanden habe, ist die Einrichtung in der Filiale ja einiges wert. Gesetzt den Fall, dass du diese zu einem guten Preis verkauft bekommst - inwieweit würde dich das entlasten? Wäre es möglich, die geschlossene Filiale zu verkaufen? Das Problem mit den zu übernehmenden Mitarbeitern bestünde für den Käufer dann ja nicht mehr (aber vielleicht ein anderes?).

Auch wenn das vielleicht keine adäquaten Lösungen sind, möglicherweise gibt es die ja bzw. eine Summe an Maßnahmen, die einen Schlussstrich ermöglichen würden? Vielleicht haben ja Leute aus deinem Umfeld, die die Situation besser kennen und einschätzen können, Ideen. Viel wichtiger ist aber natürlich: Willst du das überhaupt (und warum/warum nicht)?

Ist Insolvenz aktuell eigentlich noch ein Thema - gerade angesichts der jüngsten Umsatzeinbrüche?
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neps90

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Hey Henning.
Hab gestern Abend schon angefangen das ganze durchzulesen und musste mich zwischenzeitlich davon wegbringen da mich das echt sauer gemacht hat wie du ausgenutzt wurdest. Hab es dann heute zu Ende gelesen und festgestellt dass ich teilweise aufgehört habe zu Atmen, so schockiert war ich von dem was dir bisher so zugestoßen ist.
Wenn man das verfilmen würde würde man denken dass das total übertrieben sei, da so viel Pech einer einzigen Person ja garnicht widerfahren kann.

Jedenfalls stimme ich dem allgemeinen Tenor hier zu und denke mir dass du den Fokus mehr aufs Private legen solltest (auch wenn das letztendlich bedeutet dass die Apotheke als solche nicht zu halten ist oder z.b. die Öffnungszeiten geändert werden müssten) denn es klingt ja eindeutig durch dass du durch private Momente mit deiner Frau die notwendige Energie aufbringen kannst um die nächste Zeit durchstehen zu können.

Egal wie du das weitermachst, achte auf dich damit wir noch die Weitererzählung der 2 Fäuste gegen Remscheid erleben können ;)
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Henningway

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Vielleicht noch eine Ergänzung, weil ich von einigen auch den (sehr zutreffenden) Hinweis bekommen habe, ich wäre vielleoicht zu nett und müsste mehr "Arschloch" sein.

Ja, das höre ich öfter und auch meine Berater erwähnen das. Womöglich hätte mir das einigen Ärger erspart. Ich argumentiere aber dann immer dagegen:
1. Ich bin, wie ich bin. Will ich etwas anderes darstellen, um mir Probleme vom Hals zu halten, wird das nicht authentisch sein. Und damit stehe ich am Ende schlechter da.
2. Ich habe jetzt einge Menge Mitarbeiter genannt, die mich sicherlich ausgenutzt haben. Am Ende war aber der größere Prozentsatz jederzeit loyal und aufopfernd. Und jetzt, in dieser Monsterkrise, arbeite ich täglich in einer guten Teamstimmung. Alle stehen füreinander ein. Das erscheint mir wichtiger.

Ich bin wirklich, wirklich gerührt, was ich hier so für Kommentare lese. Natürlich war es mein Ziel und Hoffnung, ein paar Tätschler zu bekommen, ein bisschen Mitleid.  Und natürlich Einschätzungen. Ich danke Euch wirklich sehr!!!  :-*
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maturin

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Ich bin sehr betroffen, von allem was dir passiert ist und den Schwierigkeiten, die dir deine Mitarbeiter und auch andere Personen gemacht haben. Aber ich persoenlich glaube fest an zwei Dinge:

1. Jeder sollte stehts seine persoenlichen Werte festlegen, und nach diesen leben und handeln. Seine Werte fuer den Erfolg zu verkaufen wird nie gluecklich machen. Bei dir ist es leider so, dass das bisher ausgenutzt wurde und dich schwer mitnimmt. Vielleicht hilft es dir dich ab und zu hinzusetzen und zu ueberlegen, ob du gluecklicher waerst wenn du zwar Erfolg haettest, aber dafuer du derjenige waerst der illoyal und ausnutzend handelt, oder ohne Ruecksicht auf die Mitarbeiter sein Unternehmen fuert? Und ware es dass, was du deiner Frau und deinem Kind (ich glaube fest daran, dass das noch etwas wird) zeigen und vorleben moechtest?

2. So wie wir in die Welt hereinschreien, so kommt es auch zurueck. Vielleicht ist das Gute, dass du getan hast, im konkreten Fall ausgenutzt worden. Aber ich glaube dran, dass sich das irgendwo wieder ausgleicht. Sei es in der loyalitaet deiner anderen Mitarbeiter, der Liebe deiner Frau, Gesundheit. Und falls nicht, siehe oben :)

Da du ja eventuell auch Vorschlaege moechtest, fallen mir auf die schnelle nur zwei Dinge ein:

1. Du bist jemand der bisher sehr optimistisch an Menschen herangegangen ist, eventuell holst du dir bei zukuenftigen Entscheidungen jemand dazu, der dein Bauchgefuehl absichert? Vielleicht hilft es dir wenn du vor der Entscheidung jemand dazunimmst, der als Devils Advokat funktioniert. Dann kannst du dir rote Flaggen markieren und gehst sicher, dass du deine Entscheidung zweifach abgesichert hast.

2. Vielleicht gibt es angebote fuers coaching, oder andere materialien, die dir helfen koennen um Probleme im Team frueher zu erkennen und zu loesen? Es gibt ja immer zwei Seiten einer Geschichte und als Unternehmer hilft es leider manchmal nicht alles richtig zu machen. Die Perspektive der anderen Seite kann noch so verquer sein, es ist wichtig sie zu verstehen um rechtzeitig zu deeskalieren, oder auch die Reisleine zu ziehen und sich zu trennen.

Ich bin persoenlich jemand der daran glaubt das 90% der Menschen von sich selbst denken, dass sie gute Menschen sind. Wenn in einer Geschichte wie der deinen aber mehrere Personen klar schlecht handeln wirft das Fragen auf. Ziehst du schwarze schafe magisch an? gibt es nur schwarze schafe weil der markt so schlecht ist? Oder sind es missverstaendnisse, so dass beide Seiten glauben der andere sei das schwarze schaf?

Ich hoffe du verstehst was ich meine? Es scheint nicht so zu sein, dass du deinen Mitarbeitern nicht zuhoerst oder nicht offen bist, aber eventuell sendest du unbewusste signale? Vielleicht sorgt deine hilfsbereitschaft bei einer Person dafuer, das eine andere sich benachteiligt fuehlt?

Das sind so ein paar Ansaetze die mir einfallen, wieso deine guten Intentionen bei einigen keine Fruechte tragen. Ich hoffe das du dran bleibst, denn ein Unternehmer mit deinen Werten ist das einzige was den Kapitalismus fuer mich noch tragbar macht. 
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Folge meiner irrsinnigen Reise als deutscher Gründer, Fotograf und Dokumentarfilmer, wenn ich im Van mit Freundin und Hund Brasilien abseits der bekannten Wege erkunde. Wahrend unserer Expedition suchen wir die besten lokalen Guides für Peabiru, stürzen uns in Abenteuer in unangetasteter Natur und erzählen die Geschichten des ursprünglichen Brasiliens.

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Moin Henning,

da hört sich vieles echt hart an und wie du selbst geschrieben hast: Da ist auch viel Pech im Spiel bei einigen Situationen.


Ich bin angestellter Betriebsleiter in der Gastronomie (ca. 40 Mitarbeiter) und auch mir wird gelegentlich mal vorgeworfen, ich sei "zu nett" zu manchen Mitarbeitern. Ich gewähre auch oft noch eine zweite oder dritte Chance, wo andere schon einen Schlussstrich gezogen hätten.
Ich kann natürlich nur von mir sprechen, aber ich denke, dass ich damit trotzdem recht gut fahre. Man hat immer mal wieder Mitarbeiter, die es auf die eine oder andere Art ausnutzen, aber im großen und ganzen findet man so auch ein gutes Team und Mitarbeiter, die dankbar sind.

Vor einiger Zeit habe ich mir ein Punktesystem überlegt, um meine Mitarbeiter ein bisschen zu bewerten und auch um keine Vorfälle (positiv wie negativ) zu vergessen. Häufig erinnert man sich ja auch eher an die negativen Dinge, als an die positiven oder man vergisst viele Kleinigkeiten, die für sich gesehen Lappalien sind, in der Summe aber irgendwann sehr anstrengend werden können.
Beispiele:
- Mitarbeiter kommt 15 Minuten ohne Anruf zu spät zur Arbeit: 1 Minuspunkt
- MA arbeitet 2 Stunden länger, weil ein Kollege krank ist: 1 Pluspunkt
- MA springt an seinem freien Tag für einen kranken Kollegen ein: 2 Pluspunkte für Vollzeit-MA, 1 Pluspunkt für Aushilfen
- MA meldet sich bei Krankheit nicht per Anruf, sondern per Whatsapp-Nachricht: 2 Minuspunkte
Da ist auch etwas Aufwand dabei und man muss aufpassen, dass es ein faires Punktesystem wird, aber nach etwas Eingewöhnung geht das nun recht schnell und es hilft mir auch bei Jahresgesprächen, Beurteilung der Leistung in der Probezeit, man hat gleich einige Notizen für Lohnverhandlungen, usw.
Es hilft mir aber auch ganz gut dabei "faule Äpfel" zu identifizieren. Ernste Gespräche führe ich nach negativen Vorfällen natürlich auch direkt mit dem MA.


Eine Sache, die deine Berater sicherlich schon mal angesprochen haben:
Wie ist das denn mit den Öffnungszeiten? 08:00 - 22:00 Uhr kann deinen Arbeitstag ziemlich in die Länge ziehen, wenn du vor hast am Nachmittag zu gehen, aber die Spätschicht ausfällt. Wäre die Zeit nun nur bis 19:00 Uhr, wären das im Notfall zumindest 3 Stunden weniger.
Da muss man sich natürlich überlegen, in welchem Ausmaß die Umsätze, die aktuell zwischen 19:00 und 22:00 Uhr erzielt werden, dann noch vor 19:00 Uhr kommen würden und welche Höhe komplett weg fällt. Auf der anderen Seite hätte man etwas mehr Freizeit, was ja auch wichtig ist.


Wenn der ganze Stress sich gesundheitlich negativ Auswirkt, sollte man sich meiner Meinung nach eine Auszeit gönnen. Das ist allerdings auch leichter gesagt, als getan - vor allem, wenn Kredite laufen.

Ich drücke dir auf jeden Fall für die Zukunft die Daumen und wünsche dir alles Gute. Ich hoffe, du sprichst auch mit deiner Frau über all deine Sorgen - das bedeutet ja nicht gleich, dass du ihr ihr Glück nicht gönnen würdest.



PS: Whatsapp ist echt manchmal die Pest. :D  Warum verstehen einige Leute nicht, dass man z. B. im Krankheitsfall unbedingt angerufen werden will, auch wenn man es schon mehrmals angesprochen hat (es steht sogar im Arbeitsvertrag drin...)? Wenn ich aktiv im Verkauf bin, bekomme ich oft Whatsapp-Nachrichten gar nicht mit und wundere mich dann, warum der Mitarbeitern nicht pünktlich zu seiner Schicht kommt...

PPS: Flyerfirmen sind oft mit vorsicht zu genießen. Bei meinem vorherigen Arbeitgeber hatten wir auch immer auffällig bessere Rückläufe, wenn wir selber Flyer verteilten. Bei meinem aktuellen Arbeitgeber lasse ich auch lieber die eigenen Mitarbeiter Flyer verteilen.

Noch was: Was ist denn aus dem guten alten "Was nicht passt, wird passend gemacht" geworden? Kann doch nicht sein, dass alle wegen ein paar cm das Zeug nicht kaufen wollen... :D
« Letzte Änderung: 24.April 2020, 20:17:07 von brandgefährlich »
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karenin

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Irgendwie liest sich das mit der Einrichtung wirklich wie aus ner Sitcom :laugh:

Das ist extrem interessant zu lesen, die Geschichte "hautnah" zu erleben wie es ist selbstständig zu sein.
Ich finde den Konsens hier mit diesem "zu nett" ist eher eine Floskel/Stammtisch wie das "wir brauchen ein Arschloch auf dem Platz" im Fußball. Am Schluß ist man als Apotheker sowieso in nem Bereich der quasi nur aus Fachkräften besteht (dh der Großteil wird sehr motiviert sein in ihrem Bereich zu arbeiten ungleich zb Bandarbeit das "jeder kann"), da würd ich die Quote von Faulen Äpfel auf 2 aus 30(?) schätzen. Da gibt man lieber den restlichen Mitarbeitern (und sich selbst) ein angenehmes Klima als wegen der extremen Minderheit laufend nen Cholerikeranfall zu haben und noch dazu das Klima für die 90% der "guten" zu versauen indem man alle pauschal als illoyal behandelt.
Vor allem ist der Mitarbeiter Punkt mehr als alles andere Erfahrung würd ich behaupten, daher gehe ich jede Wette ein das sowas wie mit diesem Typen als Geschäftsführer eher nicht mehr passiert. Und wer schonmal in einem Betrieb gearbeitet hat, wo die Chemie wirklich toll gestimmt hat, der wird sich in jedem Fall an einen "zu netten" Chef/in erinnern.. Mal ganz davon ab das die Arbeitsleistung (im direkten Vergleich zw zwei Arbeitsstellen die ich hatte, gleiche Branche, gleiche Aufgaben) von einem Team das mit sich selbst klarkommt unheimlich viel höher ist, gerade in Krisen.
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