@mancity: Erstmal: mein Gott, was schreiben wir hier für lange Beiträge, als ich mal in einem anderen Forum eine ähnliche Diskussion anleiern wollte, bekam ich meist nur 1-Satz-Antworten à la "Viva la Revolution" oder ähnlichem.

Hartz4: Ich denke schon, das ist mit Abrutschen in die Armut verbunden. Kannst dir ja mal überlegen, wie man von ca. 330 Eus in Ossiland leben kann. Da bleibt kein Geld übrig für Kleidung, Kultur, Haushaltsgeräte. da kann man gerade mal seine Lebensmittel von bezahlen. Das wiederum führt zu sozialer Ausgrenzung (wer will schon was mit armen Menschen zu tun haben?), wodurch wiederum das Selbstwertgefühl bis ganz unten sinkt. Dann noch motiviert Arbeit zu suchen und zu finden, ist schon ein Kunststück.
Ich habe nie behauptet, daß es für einen Hartz-IV-Empfänger leicht ist - ich halte die 330 Euronen für äußerst knapp bemessen. Dennoch ist es - wie Frau Dahn auch sagte - "nur" der Grundsatz, viele Empfänger werden zumindest ein bisschen mehr zur Verfügung haben. Aber - es ist wenig und ein harter Einschnitt, richtig.
Darauf basierend aber ein phänomenales Gedankenkonstrukt aufzubauen, daß die Gesellschaft einen dann sofort fallen lässt und das einem sozusagen das Recht gibt, jede motivierte Arbeitssuche fallenzulassen, halte ich für eine grundfalsche Annahme. Nehmen wir mal an, es wäre so - läge das Problem dann nicht eher in einer gesellschaftlichen Denkweise, die soziale Kriterien (ist mein Gegenüber arm/reich) vor alles andere stellt? Wird diese Denkweise, die riesige Gräben zwischen den gesellschaftlichen Schichten (die es immer geben wird) schafft, nicht eher von Linkspartei und Co. gefördert? Ist dies eine Entschuldigung, keine Arbeit zu suchen und sich damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung zu entziehen? Das sehe ich nicht so.
Die zweite Frage, die sich stellt: gibt es eine Alternative?Kann es sich unser Staat leisten, so zu tun, als hätte er nicht einen riesigen Schuldenberg angehäuft? Als wäre noch Geld da für Forschung, Bildung, Gesundheitssystem? Ist es nicht eher unsozial, wenn z.B. Theater zunehmend schliessen müssen bzw. ihre Eintrittspreise verdoppeln? Wenn es irgendwann mal gute, aber teure private Schulen gibt und schlechte Staatliche?
Hartz IV ist hart und bedeutet einen Rieseneinschnitt in das Leben desjenigen, der seine Arbeit verliert; ich bin z.B. auch dagegen, hier noch weiter "zuzulangen". Aber ist nun mal Fakt, die Lohnnebenkosten in Deutschland viel zu hoch sind und das Land dadurch gegenüber dem, was im Osten kommt, zunehmend konkurrenzunfähiger wird. Es geht ja hier eben gerade um den von dir so gelobten bürgerlichen Mittelstand!Es sind doch nicht BMW und Co, die kaputt gehen!Sondern die kleineren Betriebe, denen die Schaffung von Arbeitsplätzen zu teuer ist!Denen das Entlassen von Inkompetenten Arbeitskräften unmöglich gemacht wird! DIE leiden im Endeffekt am meisten unter dem überblähten Sozialstaat!
Weiterhin: was nutzt die Annahme niedirg bezahlter Arbeit? Der Staat spart Kosten, aber es gibt mittlerweile genug Jobs (Friseure u. a.) wo die Leute auch nicht mehr von diesen Jobs leben können. Ich hab übirgens auch so einen Job (in der IT-Branche). Das Phänomen nennt man "working poor". Gibts in USA schon seit Jahren, und wird demnächst auch bei uns zur Massenerscheinung werden. Was meinste, wieso die Deutschen sonst solche Angst vor nem Arbeitsplatzverlust haben? Weil sie sicher sind, auf jeden Fall wieder was zu finden?
Was das nutzen soll? Ich bin der Meinung, daß jeder Mensch eine gesellschaftliche Verantwortung hat, die z.B. darin besteht, staatliche Hilfe nur dann anzunehmen, wenn er sie denn auch braucht. Wenn ich also statt Hartz IV die Möglichkeit habe, mich mit einem Job durchzuschlagen, sollte ich sie annehmen. Diesem Phänomen der "Working Poor" könnte der Staat z.B. mit Steuergutschriften entgegenwirken.
Ich sehe dazu den Zustand der erzwungenen Arbeitslosigkeit als einen der schlimmstmöglichen Zustände, die einen (wohlgemerkt gesunden) Menschen in seiner Lebensführung ereilen können. Einen Job anzunehmen gibt einem Leben einen gewissen zusätzlichen Sinn und erlaubt ein Wiedereintreten in die Arbeitswelt, das Sammeln von Berufserfahrung und damit das Erhöhen von Chancen auf einen besser bezahlten, anderen Job. Mir wäre der Gedanke, daß ich selber für meine Familie sorge, auch wenn ich dazu schwer arbeiten muss, lieber, als der Gedanke, vonm Staat durchgefüttert zu werden.
Das Problem ist ja auch das, das es in manchen Branchen Arbeitsplätze gibt, es aber an quailifizierten Arbeitnehmern fehlt.Wieso? Weil der deutsche Staat zuwenig in Bildung investiert! Wieso wandern denn viele Spitzenforscher in die USA ab? Weil ihnen dort ordentliche Arbeitsbedinungen und eine großzügige staatliche Finanzierung zur Verfügung stehen. In D gibt es zur Zeit eine richtige Intellektuellenflucht. Diese kreative Kraft fehlt dem Land am Ende, darüber sollte man nachdenken.
Der Punkt ist auch eher folgender: du beschriebst den Sprung von Entwicklungsland zum Industrieland. Das was wir jetzt erleben, ist aber ein andere Dimension: die der postindustriellen Ära, in der ehemals hochentwickelte Nationen mit den Ausbeutungsmethoden in den Schwellenländern nicht mehr mithalten können, weswegen die Industrien immer mehr abwandern.
Das wiederum heißt: jeder, der auf diese Logik eingeht, fördert damit einfach die Wiedereinführung frühkapitalistischer Ausbeutungsmethoden.
Diese Logik hat einen gravierenden Fehler: sie sieht diese Schwellenländer als eine träge, sich nicht bewegende Masse an.Ich lasse jetzt mal Japan und Südkorea außen vor- diese sind keine Schwellenländer mehr und haben gute Arbeitsbedingungen.
Aber, Mancity, glaubst du denn, diese "frühkapitalistischen" Ausbeutungsmethoden lassen sich in Indien oder China halten, wenn diese Länder sich zunehmend weiterentwickeln? Hier war es doch auch nicht anders! Mit dem zunehmenden Wohlstand entwickeln sich auch die Arbeitsbedingungen weiter. Hier hat es auch in Indien z.B. bereits gute Verbesserungen gegeben, wenngleich es noch lange nicht zufriedenstellend ist. Man muss sich allerdings auch im klaren sein, daß unsere Arbeitszeiten paradiesisch sind und in Zeiten des extremen Post-WW-II-Wirtschaftswachstums eingeführt wurden. Eine 36-Stunden-Woche wird sich einfach nicht mehr halten lassen, weil jeder Japaner, Chinese oder Inder wenig Probleme damit hat, 40 Stunden pro Woche zu arbeiten - was ich .z.B. für eine vertretbare Arbeitszeit halte. - ohne sich dabei ausgebeutet zu fühlen. Es ist doch auch paradox, daß in vielen Fällen hierzulande die Gewerkschaften streiken, während die betroffene Arbeiterschaft bereit wäre, mehr zu arbeiten, um Standorte zu erhalten.
Ich denke die Arbeitsbedinungen werden sich in der Mitte einpendeln - China und Indien werden bessere, wir zum Teil verschlechterte Bedingungen haben, ohne daß dabei von Ausbeutung die Rede sein muss. Anders wird es aber nicht gehen, wenn wir konkurrenzfähig bleiben wollen.
Umweltschutz: Sicher wird auf dem gebiet nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Aber gibt es bis jetzt einen Weg aus der Energiesackgasse? Ich seh keinen. Wir leben vom Öl und wissen nicht, was danach kommt. Solarenergie ist bis jetzt auch viel zu teuer.
Was passiert erst, wenn eine Milliarde Chinesen Auto fährt. Die Rohstoffmärkte werden so schnell leergefegt sein, so schnell kann man gar nicht gucken.
Es ist immer wieder belustigend und auch irgendwie schockierend, mit welcher Arroganz wir dem Chinesen sein Auto verbieten wollen. Das ist der wunderbare Welt der Linken heutzutage : wir haben unseren Wohlstand, aber wen die anderen ihn kriegen würden, dann geht die Welt unter.
Statistisch reichen bei unserem aktuellen Verbrauch und dem aktuellen Stand der Wissenschaft unsere Ölvorräte noch für 40 Jahre. Aua! Der Witz ab dem ganzen ist, daß wir z.B. 1980 noch für 30 Jahre Vorräte hatten. Warum? Die Jahresproduktion ist in die Höhe geschossen, wir können mittlerweile dank Forschung mit den Ressourcen besser umgehen, es werden jährlich neue Vorräte (auch in nicht bekriegten Ländern wie Irak) entdeckt. Die bekannten Ölvorräte sind von ungefähr 20 Milliarden Barrel im Jahre 1920 auf über 1000 Milliarden Barrel im Jahr 2000 angestiegen. Wir lernen zunehmend besser, z.B. Schieferöl zu nutzen. Experten gehen von aus, das das gesamte, auf der Erde vorhandene Öl unseren Vorrat selbst bei steigendem Verbrauch noch 5000 Jahre lang decken wird. In 5000 Jahren werden wir es hoffentlich hingekriegt haben, Solarzellen so zu tunen, daß sie effektiv und billig für alle Strom produzieren würden.
Übrigens: es ist mittlerweile auch schon so weit, daß man, wenn man 2,6% der Sahara mit Solarzellen abdecken würde, genügend Energie zur Befriedigung des weltweiten Bedarfes erlangen könnte,
Von daher schert mich das ökologische Schreckgespenst herzlich wenig. Sollen die Chinesen soviel Auto fahren, wie sie wollen. Außerdem hat schon ein ordentlicher Anteil der 1 Milliarde ein Auto.
Wie man in Arbeitsplatzabbau investieren kann? Die Frage ist ja wohl wirklich sehr naiv. Man schließt ein rentables Unternehmen in Deutschland und baut es in Ungarn oder China neu auf. Aus deutscher Perspektive ist das eine Investition in Arbeitsplatzabbau. Lies mal die Geschichte über IBM in der letzten "Zeit" (wahrlich kein linkes Blatt übrigens): da haben Mitarbeiter aus Deutschland die Leute in Ungarn angelernt, und stehen ab September selber auf der Straße.
Verstehst du das wirklich nicht, dass daraus einfach Ängste entstehen MÜSSEN, weil du weißt, du bist nie gut genut, um nicht entlassen zu werden? Und wie eine Gesellschaft aussieht, die mit solchen massiven Ängsten lebt, erlebt man ja täglich. Da geht es auch nicht nur um materielle Aspekte, viel dringlicher sind die psychischen Verwerfungen.
Ich habe jüngst eine Umfrage gelesen, in der 80% der Deutschen der Meinung waren, ihr Arbeitsplatz wäre sicher. Das sind 20% zu wenig, aber dein Bild einer angstdurchzogenen Gesellschaft kann ich trotzdem nicht teilen.
Man kann einem Betrieb nicht immer vorwerfen, daß er ins Ausland zieht. Es stimmt: maximale Rentabilität ist ein Grundprinzip der freien Marktwirtschaft. Wenn ich also als IBM in Ungarn noch rentabler arbeiten kann, werde ich das tun.
Ich bin der Meinung, daß uns IBM einen Dreck scheren sollte, die Jungs würden selbst bei maximalst besten Bedinungen ins Ausland ziehen. Das Problem sind doch nicht unbedingt die Großkonzerne, sondern mehr die mittelständischen Betriebe, denen durch hohe Lohnnebenkosten und unflexible Tarifverträge ein rentables Arbeiten unmöglich gemacht wird. Wieso ist den Handwerksarbeit so teuer in Deutschland? Weil die Arbeitsgeber teilweise pro Arbeiter mehr an Sozialabgaben zahlen müssen als an Gehalt, das schlägt sich dann im Preis nieder --- eine weitere fatale Konsequenz davon ist die Schwarzarbeit, die den Staat jährlich Milliardenbeträge kostet.
Dazu kommt dann noch die unsägliche Bürokratie - in Deutschland dauert es im Schnitt 45 Tage, bis eine Unternehmensgründung möglich ist - soviel wie in Albanien oder Nigeria. Apropos Friseusen: ich hatte unlängst ein längeres Gespräch mit meiner, wieso sie sich nicht selbstständig macht. Antwort: wenn du heute in D dein eigener Chef sein willst, bist du ziemlich am *****. Das ist eine gute Zusammenfassung mancher Probleme.
Ich bin aber auch der Meinung, daß Betriebe nicht von jeder Verantwortung befreit sind - das es geht, hat man doch im Falle Opel gesehen. Allerdings muss mehr Spielraum da sein, um einen nicht rentablen Standort zu einem rentablen Machen zu können, ohne daß dann gleich die Zelte abgebaut werden müssen.
Zum Thema DDR sag ich nur soviel: Klar, dort wurden die Leute jeden Tag geknechtet und terrorisiert - genauso wie heute alle Leute die Freiheit genießen und das Gefühl haben können, ihr eigener Herr zu sein. Tut mir leid, diese Schwarzmalerei der DDR ist mir einfach nur primitiv.
Zumal gerade viele obere SEDler ihren Frieden mit dem Kapitalismus gemacht haben, und eben genau ehemalige DDR-Dissidenten den Kapitalismus kritisieren.
Genau, die DDR war toll.

Deswegen gab es ja auch keine Revolution und man brauchte keine STASI, um die Leute bei der Stange zu halten. Damit sage ich natürlich nicht, daß für den einzelnen kein Glück drin ist - da hatte ich mal eine längere Diskussion mit Ostverwandten meiner Verlobten: es wäre arrogant, so zu tun, als wären alle Ostler wegen ihres früheren Systems lebensunfähig, das will ich auch nicht. Ich sage ja auch nicht, daß in der DDR alle geknechtet wurden - ich würde nur behaupten, daß unser System dem Einzelnen sehr viel mehr Freiheiten lässt und dem Kommunismus unter dem Strich in sehr vielen (wenn nicht allen) Belangen überlegen ist.
@texas:
Ich versuche ja auch, sie nicht in eine Schublade zu stecken - genau genommen ist es aber eine Linie und es hat nie ein richtiges Bekenntnis der PDS zur Demokratie und ein Abschwören vom Kommunismus gegeben. Es stecken da auch noch vielzuviele alte Funktionäre mit drin, als daß ich die Partei als wählbar ansehen würde. Und Lafontaine ist in meinen Augen auch kein wirklicher Demokrat.