Ähm, natürlich waren die Gesänge an dieser Stelle am Lautesten, schließlich ist das ein bundesweit bekannter Laden, der Naziuntensilien verkauft - 3 Tage nach der Demo wurde der Laden durchsucht und volksverhetzendes Material gefunden, woraufhin gegen den Ladenbesitzer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Außerdem zieht der eine Glatzkopf sich seine Handschuhe schon an, bevor die Gesänge anfangen und die Baseballschläger stehen natürlich immer im Schirmständer gleich neben dem Eingang?!
Außerdem, wo haben den Demoteilnehmer provoziert? Die rufen halt ihre uralten Parolen (alerta, alerta, antifascita)...mit den Beleidigungen hat doch der betrunkene Kollege ganz links angefangen ("Halt's Maul du blöde Schlampe"), der dann in Gewahrsam genommen wurde. Also entschuldigung, aber mensch muss schon sehr viel Fantasie aufbringen, um in dieser Szene eine Provokation der Demoteilnehmer zu sehen.
Und das Argument, dass mensch nicht erwarten könne, dass "solche" ruhig bleiben, wenn eine Demo vor ihren Häuser langzieht ist doch fadenscheinig. Natürlich darf auch von den Herren Nazis erwartet werden, dass sie sich an die Grundsätze eines Rechtsstaates halten und nicht mit Baseballschlägern auf eine Versammlung losgehen. Im Umkehrschluss dürfte es ja keine Demonstrationen gegen Nazis mehr geben, weil Nazis sich gestört fühlen könnten?! Natürlich sollen Demonstrationen provozieren, das ist der Grund, weshalb diese durch Städte führen, wo Verkehr lahmgelegt wird oder vor Einrichtungen stattfinden, die Symbolcharakter in Bezug auf das Demothema haben. Sonst könnte jede Demo ja auch auf die Wiesen und Felder vor der Stadt ausgelagert werden. Dann würden die Nazis oder Schläger unter den Antifaschisten zwar "ruhig" bleiben, aber das ist doch keine Lösung.
Was die Antifa angeht, mit "denen" habe ich so meine Erfahrungen gemacht, die ich hier schonmal aufgeschrieben habe. Ich setze mich ja auch beruflich mit dem Thema auseinander, allerdings merke ich oft, dass die Antifa generalisiert wird. Ich hatte schon öfter mit einigen Vertretern zu tun, einige haben mich abgeschreckt, das sind dann vor allem diejenigen, die den Kampf gegen Rechtsextremismus gerne auf die Straße tragen und meistens vor Körperverletzungen nicht zurückschrecken. Diese Antifasympathisanten (in den seltensten Fällen haben diese Menschen mehr mit der Antifa zu tun, als sich das Logo auf die Sachen zu pinnen oder mal auf der Demo die Fahne zu tragen) rekrutieren sich meist aus der autonomen Szene. Das sind weder Linke, noch ideologisch irgendwie gefestigte Menschen. Die haben sich einfach nur irgendwann für ein Team entschieden, hätten aber unter anderen Umständen durch aus bei den Nazis landen können.
Dann gibt es diejenigen, die tatsächlich antifaschistische Arbeit betreiben. Das sind Leute, die die Naziideologie aus einem eigenen Wertebewusstsein ablehnen und dagegen kämpfen, allerdings nicht mit Flaschen und Steinen auf der Straße, sondern vor allem durch Aufklärungs- und Aufarbeitungsarbeit. Diese Arbeit ist immens wichtig (auch aus wissenschaftlicher Sicht), da die einzigen verlässlichen Aufdecker von Neonazistrukten leider wirklich die Antifaschisten sind. Wenn in Zeitungen etwas über Verbindung von Personen, Vereinen, Geschäften oder Strukturen in die Neonaziszene steht, dann ist die Recherche in über 90% der Fälle von der Antifa geleistet worden. Ich habe auch mal in die Richtung Rechtsextremismus in Berlin geforscht und war schockiert, dass weder Polizei, noch Landeskriminalämter, noch die Soziologieforschung mir da konkrete Namen, Daten oder Strukuren nennen konnten (ich war dafür akkreditiert, habe also nicht als Privatperson danach gefragt). Beim Verfassungsschutz bin ich gar nicht erst durchgekommen, diese Organisation ist äußerst wissenschaftsscheu. Ich bin dann bei der Antifa gelandet und die hatten eine bemerkenswert gute Aufklärung für die Bereiche Treptow und Köpenick, die mich vor allem interessierten, da hier der eher bürgerlich geprägte Nationalkonservativismus zu finden ist. Anfangs hatte ich Bauchschmerzen mit der Antifa als Quelle für Forschung, weil ich die auch als Schlägertrupp im Kopf hatte. Ich hab dann allerdings schnell gemerkt, dass die herausragende Arbeit in der Aufklärung und Dokumentation abliefern, von Gerichtsurteilen gegen Neo-Nazis wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung (Körperverletzungsstraftaten gegen Ausländer extra aufgeführt, diese statistische Tiefe hatten nichtmal die zuständigen Gerichte in dem Gebiet zu bieten, was eine Schande ist) bis hin zu Zuliefererketten von Geschäften und Kneipen, die als Treffpunkte der rechten Szene gelten, war dort alles dabei. Fördervereinigungen von brandenburgischen mittelständischen Unternehmen, die eine bestimmte Kneipe in Köpenick finanziell unterstützen und Organigramme zum Aufbau verschiedener rechtsextremer Organisationen (sogar Nationale Autonome waren erfasst)...eine wahre Fundgrube.
Die Leute, die sich dort alle ehrenamtlich engagieren, sahen nicht nach Straßenkämpfer aus und generell war ihre ablehnende Haltung Nazis gegenüber fundiert.
In Gesprächen habe ich dann erfahren, dass viele von ihnen frustriert sind, da ihre Aufklärungsarbeit nicht anerkannt wird. Die Polizei interessiere sich gar nicht dafür, im Gegenteil, diese versuche angeblich die Arbeit zu unterbinden da es "ihre Aufgabe sei". Außerdem nimmt die Polizei die Ermittlungsarbeit der Antifa angeblich nicht ernst und misstraut ihnen zutiefst. Das einzige Prinzip, wie ihre Arbeit an die Öffentlichkeit käme, wäre wenn Journalisten ab und zu mal vorbeischauen würden, um Informationen für ihre Stories zu sammeln. Da gab es mal einen Angriff auf einen vietnamesischen Imbissbesitzer in Köpenick, über den Täter war gar nichts bekannt und ein Journalist der Berliner Zeitung hat bei der Antifa einfach mal gefragt, ob sie was über ihn (ein Gymnasiast) wissen. Die hatten einen ganzen Aktenordner zu der Person, die immerhin als Ziehsohn von René Bethage galt, über den auch kaum etwas bekannt ist. Bethage war mal NPD-Mitglied, ist ausgetreten und betreibt jetzt "unabhängig" "Jugendarbeit". Er gilt als "Anführer" der nationalen Autonomen in Berlin und hat besagten Schläger unter seine Fittiche genommen (ich glaube, er wohnte sogar mal bei ihm). Durch den Artikel des Journalisten sind erst Polizei und Staatsanwaltschaft auf die Sache aufmerksam geworden, vorher wäre es wohl als versuchter Raub oder ähnliches verbucht worden. Letztendlich sind die Informationen der Antifa also erst über den Umweg der Aufarbeitung des "seriösen Journalisten" von den Behörden ernst genommen worden.
Das ist schon sehr bedenklich, wie ich finde. Allerdings hat sich aus den Gesprächen mit den Antifa-Leuten auch ergeben, dass diese zwar selbst Gewalt wohl nicht anwenden würden, diese aber gegen Nazis durchaus billigen. Erklärt haben sie es damit, dass sie Angst hätten, dass die Nazis sich überall ungehindert ausbreiten würden, wenn ihnen nicht ein paar Gewalttäter im Weg stünden, so besteht ein Status Quo und sie können in Ruhe ihre Recherche- und Aufklärungsarbeit machen. Auf meinen Einwurf, dass sie mit dieser Arbeit ja aber auch die Gewalt fördern, da sie für die Straßenkämpfer, die selbst gar nicht viel mit der Antifa zu tun haben, die Zielscheiben markieren, reagierten sie schulterzuckend. Bei der Polizei, so sagten mir einige, habe mensch die Hoffnung aufgegeben, dass diese sich irgendwann nochmal bewegen würde und die Arbeit der Antifa für ihre eigenen Ermittlungen nutzt.
Alles nicht sonderlich befriedigend.